Vor 100 Jahren wurde der Rote Frontkämpferbund gegründet

Soldaten der Revolution

„Ich gelobe: Niemals zu vergessen, dass der Weltimperialismus den Krieg gegen die So­wjet­union vorbereitet; niemals zu vergessen, dass das Schicksal der Arbeiterklasse der ganzen Welt unlöslich verbunden ist mit der So­wjet­union; niemals zu vergessen die Erfahrungen und Leiden der Arbeiterklasse im imperialistischen Weltkrieg, den 4. August 1914 und den Verrat des Reformismus; stets und immer meine revolutionäre Pflicht gegenüber der Arbeiterklasse und dem Sozialismus zu erfüllen; stets und immer ein Soldat der Revolution zu bleiben; stets und immer in allen Massenorganisationen, in Gewerkschaft und Betrieb ein Pionier des unversöhnlichen Klassenkampfes zu sein; an der Front und in der Armee des Imperialismus für die Revolution zu wirken; den revolutionären Kampf für den Sturz der Klassenherrschaft der deutschen Bourgeoisie zu führen; die russische und chinesische Revolution mit allen Mitteln zu verteidigen; stets und immer für die So­wjet­union und die siegreiche Weltrevolution zu kämpfen.“

Mit diesem Gelöbnis bekräftigten die Mitglieder des Roten Frontkämpferbundes (RFB) ihren revolutionären Kampfeswillen. Vor 100 Jahren, im Mai 1924, entschloss sich die Führung der KPD, eine parteinahe, aber unabhängige proletarische Schutz- und Wehrorganisation zu schaffen. Die erste Ortsgruppe des RFB wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 1924 im thüringischen Hildburghausen gegründet. In der Folgezeit hat die Organisation das Bild des öffentlichen politischen Lebens in der Weimarer Republik wesentlich mitgeprägt. Gerade in den großen Industriestädten waren bei kommunistischen Kundgebungen und Demonstrationen die Marschkolonnen des RFB schon bald nicht mehr wegzudenken. In schlichter grauer Uniform, bestehend aus Feldbluse, Koppel, Schulterriemen und Schirmmütze, sorgten die Roten Frontkämpfer für den Schutz proletarischer Veranstaltungen, stellten den Saalschutz bei Versammlungen und verteidigten Arbeiterviertel gegen Polizeigewalt und rechten Terror. Ein Markenzeichen des RFB waren vor allem die Schalmeienkapellen, die mit Straßenkonzerten revolutionäre Lieder popularisierten, die auch heute noch gut bekannt sind. Der Gruß mit der erhobenen rechten Faust in Verbindung mit dem Ruf „Rotfront“ hat seinen Ursprung bei den Roten Frontkämpfern.

„Goldene Zwanziger“?

1924 war der Kapitalismus in Deutschland in eine Phase der relativen Stabilisierung eingetreten. Es begann das, was die bürgerliche Geschichtsschreibung gern die „Goldenen Zwanziger“ nennt und mit Filmaufnahmen unterlegt, die Menschen zeigen, welche in Berliner Nachtklubs ausgelassen feiern und wo der Champagner in Strömen fließt. Übergangen wird dabei, dass nur wenige Kilometer weiter gänzlich andere Verhältnisse herrschten, nämlich in den Arbeitervierteln des Berliner Ostens und Nordens. Statt glitzernden Nachtlebens gab es hier unterernährte, rachitische Kinder in erbärmlichsten Wohnverhältnissen. Gegenwehr gegen dieses graue Elend wurde oftmals mit Polizeigewalt beantwortet, wobei die Beamten sich keineswegs nur mit Knüppelschlägen begnügten – immer wieder wurde auf Arbeiterdemonstrationen mit scharfer Munition geschossen. Hinzu kamen Überfälle und Mordaktionen durch Angehörige des rechtsradikalen „Stahlhelm“ und später der faschistischen SA.

Angesichts dieser Lage entschied die KPD-Führung, dass es an der Zeit sei, eine proletarische Wehr- und Schutzorganisation zu bilden. Kurz zuvor hatte die SPD zusammen mit der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der katholischen Zentrumspartei das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ als Verband zur Verteidigung der Republik aus der Taufe gehoben. Eine dortige Mitwirkung kam für KPD-Mitglieder aber von vornherein nicht infrage, da diese von der Reichsbannerführung auf das Schärfste abgelehnt wurden.

Massenorganisation

Bei der Gründung des RFB konnte auf vereinzelte Gruppen zurückgegriffen werden, die sich schon zuvor lokal gebildet hatten, wie etwa Reste der inzwischen verbotenen Proletarischen Hundertschaften oder den „Roten Stahlhelm“. Ergänzend wurde als Jugendorganisation der „Rote Jungsturm“ gebildet, der sich im Januar 1926 in „Rote Jungfront“ umbenannte. Die zweite Reichskonferenz des RFB im Mai 1925 beschloss zudem die Bildung der „Roten Frauenliga“, aus der im November desselben Jahres der „Rote Frauen- und Mädchenbund“ (RFMB) hervorging. Als zentrale Zeitung des RFB erschien die „Rote Front“. Des Weiteren entstand die „Rote Marine“, mit der die Tradition der Volksmarinedivision aus der Zeit der Novemberevolution fortgeführt werden sollte.

2010 Roter Frontkaempferbund - Soldaten der Revolution - Roter Frontkämpferbund - Theorie & Geschichte

Die Führung des Verbandes wurde Ernst Thälmann übertragen. Seine Popularität in der Arbeiterklasse war auch hier ein Gewinn.

In der Geschichtsschreibung ist der RFB vor allem als „KPD-Kampforganisation“ wahrgenommen worden. Dieses Verständnis berücksichtigt aber nicht seine große bündnispolitische Bedeutung. Ganz bewusst hatte die KPD-Führung darauf verzichtet, den RFB als unmittelbare Parteigliederung zu bilden. Stattdessen war er organisatorisch unabhängig. Über die Hälfte der Mitglieder gehörte nicht der KPD an – und dies bei fortlaufend steigender Tendenz. SPD und Reichsbanner lehnten weiterhin jede Kooperation mit den Roten Frontkämpfern ab. Dies verhinderte jedoch nicht, dass es an der Basis immer wieder zu gemeinsamen Aktionen kam und sogar SPD-Genossen Mitglied im RFB wurden. Höchst bemerkenswert war die Zusammensetzung der Ortsgruppe Gleiwitz im Jahr 1925: Diese zählte neben 25 Kommunisten 30 Sozialdemokraten, 18 Zentrumsmitglieder und 50 Parteilose. Von der KPD-Führung war im Verhältnis zum RFB statt starrem Führungsverhalten bündnisorientierte Beweglichkeit gefordert. Der Erfolg gab diesem Konzept recht. Bis zu seinem Verbot 1929 wuchs der Verband auf 150.000 Mitglieder an. Zum bündnispolitischen Verständnis des RFB gehörte, Menschen anzusprechen, die in Augen heutiger „Linker“ als „unerreichbar“ gelten würden – etwa proletarische Mitglieder von SA und Stahlhelm. Ebenso wie einfachen Soldaten der Reichswehr oder Schutzpolizisten versuchte man ihnen zu vermitteln, dass sie letztlich gegen ihre eigenen Interessen handelten.

Politische Praxis

Insgesamt hielt der RFB vier gesamtdeutsche Jahrestreffen in Berlin ab. Es waren eindrucksvolle Großveranstaltungen, die zahlreichen Berliner Arbeiterinnen und Arbeitern Zuversicht und Selbstbewusstsein vermittelten. Bürgerliche Beobachter äußerten sich immer wieder anerkennend über die vorbildliche militärische Disziplin der RFB-Aufmärsche. Geländeübungen, Wehrsport sowie die Vermittlung der Grundkenntnisse und Fähigkeiten infanteristischer Gefechtsführung standen dementsprechend bei den Roten Frontkämpfern auf dem Programm. Schützenvereine wurden genutzt, um sich im Schießen zu üben. Der anwachsende faschistische Terror sorgte ebenso wie die brutale Repression durch die Polizei für die Einsicht, dass der politische Kampf demnächst vielleicht nicht mehr vorwiegend mit den Mitteln geführt werden konnte, welche das parlamentarische System vorsieht. Dies sollte man bedenken, bevor man in diesem Zusammenhang den Vorwurf eines roten Militarismus erhebt. Mancher hat seine so erworbenen militärischen Kenntnisse später nutzen können als Interbrigadist im Kampf gegen die Faschisten in Spanien.

Schließlich sollte auch die umfangreiche politische Bildungsarbeit nicht übersehen werden, welche im Rahmen des RFB geleistet wurde.

Gegen Kriegstüchtigkeit

Ungeachtet seiner militärähnlichen Struktur war der RFB ein aktiver Kämpfer gegen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung. Besonders die Gefahr eines Krieges gegen die So­wjet­union wurde unablässig betont. In den Publikationen des RFB und bei seinen Veranstaltungen hielt man die Erinnerung an das Grauen des Ersten Weltkriegs wach. Gern verwies man dabei auf die bekannte Bemerkung des Feldmarschalls und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der Krieg sei ihm bekommen wie eine Badekur. Damit verbunden wurde der Aufruf an die Arbeiter, sich mit aller Kraft der Verordnung weiterer solcher „Kuren“ durch die herrschende Klasse zu widersetzen. Der RFB demaskierte die Profiteure des Massensterbens und fehlte nicht, als es darum ging, gegen den Bau eines neuen Panzerkreuzers zu kämpfen, der dann aber schließlich 1928 von der SPD in wortbrüchiger Weise ermöglicht wurde. Ebenso unterstützten die Roten Frontkämpfer den Volksentscheid zur entschädigungslosen Enteignung der deutschen Fürstenhäuser.

Bei der Straßenagitation traten oft die „Roten Raketen“ und andere nach ihrem Vorbild gebildete Gruppen auf, die mit Musikdarbietungen, Theaterszenen und Sprechchören revolutionäre Aufklärungsarbeit leisteten.

Sympathien erwarb sich der RFB auch durch praktische Hilfe für in Not geratene Proletarierinnen und Proletarier. So wurde etwa in Hochwassergebieten tatkräftig mit angepackt. Arbeiterfamilien, die man aus ihren Wohnungen exmittiert hatte, half man, indem man die auf dem Bürgersteig stehenden Möbel einfach in die Wohnung zurücktrug. Nicht selten verzichteten die Hausbesitzer dann darauf, es auf eine weitergehende Konfrontation ankommen zu lassen. Eine ständige Tätigkeit des RFB war die Unterstützung von Streiks und Arbeitskämpfen.

Verbot und Illegalität

Das Ende des legalen RFB kam am 3. Mai 1929. Zwei Tage zuvor hatte der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel Demonstrationen zum Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse verboten. Auf Arbeiter, die sich zum Protest gegen das Verbot versammelten, ließ er das Feuer eröffnen. Es gab 31 Tote, 194 Verletzte und über 1.000 Verhaftungen. Zwei Tage später verbot der sozialdemokratische Innenminister Carl Severing den RFB. Zu einer entsprechenden Verfügung bezüglich der faschistischen SA mochte er sich nicht durchringen.

Der Verband setzte seine Arbeit in der Illegalität fort. Selbst nach Erlass des Verbots kam es noch zu Aufmärschen des RFB in Uniform. Nach 1933 blieb die Organisation im Untergrund weiter aktiv. Auf den unterschiedlichsten Schauplätzen des antifaschistischen Widerstands fand man Rote Frontkämpfer. Erst 1935 entschied sich die KPD, den RFB aufzulösen – zugunsten der mittlerweile neu gebildeten illegalen Strukturen.

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"Soldaten der Revolution", UZ vom 17. Mai 2024



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