Die Kommunen sahnen bei Spielhallen richtig ab

Spielsucht als Einnahmequelle

Klaus Petri

Eine der wenigen Steuern, über deren Höhe die Stadt oder Gemeinde selbst entscheiden kann, ist die Vergnügungssteuer, die die Kommunen für Spielhallen erheben. Und da kommt richtig was zusammen. „Zwischen 200.000 und 400.000 Euro im Jahr an Einnahmen erzielen wir pro Spielhalle im Ort“, freute sich Oberbürgermeister Roland Klenk aus der Gemeinde Leinfelden-Echterdingen.

5.000 bis 6.000 Automatenaufsteller teilen sich in den deutschen Städten das Segment „Geldspielgeräte in Spielhallen und Gaststätten“ des gesamten Glücksspielmarkts. In etwa 9.000 Spielhallen werden rund 143.000 Geldspielautomaten betrieben, in 40.000 bis 50.000 Gaststätten weitere etwa 77.000 Geräte. Das geht aus den veröffentlichten Zahlen im „Jahresreport 2020 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder“ hervor.

Daraus resultierten im Jahr 2020 Bruttospielerträge in Höhe von 4.100 Millionen Euro, etwa 40 Prozent des gesamten Glücksspielmarktes, der es insgesamt auf einen Umsatz von 10.112 Millionen brachte. Die Kommunen zweigten sich davon 709 Millionen Euro Vergnügungssteuer ab, der Staat profitierte von 331 Millionen Euro Umsatzsteuer. Der Steuer- und Abgabenanteil bei Geldspielautomaten liegt unter dem bei anderen Glücksspielen. Insgesamt wurden aus dem gesamten Glücksspielbereich 5.361 Millionen Euro an Steuern und Abgaben erhoben.

Glücksspiele breiten sich in Deutschland und Europa schon seit Längerem immer weiter aus. Mehr als 20 konzessionierte Spielhallen in Kleinstädten mit 50.000 Einwohnern sind da durchaus die Norm. Verstärkt durch Corona, hat sich das „Zocken“ stark ins Internet verlagert. Nach langem Hin und Her konnten sich die Bundesländer in 2021 auf einen Glücksspielstaatsvertrag einigen, der das „Online-Zocken“ nun offiziell erlaubt.

In den Landesparlamenten war der Aspekt „Spielerschutz“ Anlass für aufgeregte Debatten. Über Distanzgebote von Spielhallen, 300 oder besser 500 Meter zu Grundschulen und Kindergärten, wurde gestritten mit der Begründung:„Es muss verhindert werden, dass Kinder Spielstätten als ‚normal‘ ansehen.“ Die „Kanalisierung vom illegalen Schwarzmarkt in den legalen Markt“ wurde angemahnt und „Anreize zu übermäßigem Spielen“ sollen minimiert werden, etwa durch eine geschickte Wahl beim Betreuungspersonal für Spielotheken.

„Spielhallen sollen es künftig deutlich schwerer haben. Dadurch verlieren viele Kommunen Millionen an Steuereinnahmen und tausende Arbeitsplätze gehen verloren“, stöhnte Christian Erhardt, Chefredakteur des Online-Newsletters „kommunal“ am 9. Juni 2021 vor dem Inkrafttreten des Glücksspiel-Staatsvertrages. Wie bei der Abwehr von Umweltauflagen üblich, wird die „Selbstverpflichtung der Branche“ als Kondom beim Jugendschutz propagiert: Pathologisch Spielsüchtige könnten beim Einlass in „professionell geführte“ Spielstätten durch biometrische Erkennungsverfahren von fortgesetzter Selbstzerstörung ihrer Persönlichkeit abgehalten werden.

Der aktuelle Suchtbericht weist für das Bundesland Hessen mehr als 31.000 an Spielsucht Erkrankte aus, darunter überdurchschnittlich viele Männer mittleren Alters. Hinzu kommen zahlreiche ebenfalls direkt betroffene Angehörige. Spielsucht ist eine ernsthafte Erkrankung. Die Folgen – wie Verschuldung, zerstörte Familien und Suizid(-Versuche) – sind für Betroffene und Angehörige verheerend.

„Spielen ist keine Kunst, aber aufhören“, lautet ein Bonmot in der Spielsucht-Therapie. So ähnlich verhält es sich wohl auch mit den Zukunftsaussichten der Kommunen und der Gesellschaft insgesamt: „Den Kapitalismus als usual business weiterlaufen zu lassen ist keine Kunst …“

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"Spielsucht als Einnahmequelle", UZ vom 24. Februar 2023



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