Europäische Proteste gegen die Ehrung der lettischen Waffen-SS

Todesschwadronen gefeiert

Von Ulrich Schneider, Generalsekretär der FIR

Am 16. März fand in der lettischen Hauptstadt Riga – wie jedes Jahr seit 1991 – ein Marsch zu Ehren der lettischen Einheiten der Waffen-SS statt, verbunden mit einem Gottesdienst, einem Ehrenmarsch und einer fahnengesäumten Kundgebung am Freiheitsdenkmal.

Lettland gehört mit Estland, Litauen, der Ukraine und Bulgarien zu den osteuropäischen Staaten, in denen Einheiten der Waffen-SS und andere mit den Nazis kollaborierende antisemitische Todesschwadronen als nationale Idole gefeiert werden, obwohl diese Einheiten für Massenmorde verantwortlich waren. Wesentlicher Teil der lettischen SS-Legion waren die lettischen Polizei- und Sonderkommandos, die mit Beginn der deutschen Besatzung zusammen mit der deutschen Wehrmacht, der SS und dem „Sicherheitsdienst“ der SS (SD) tausendfach jüdische Frauen, Männer und Kinder ermordeten und Vernichtungsaktionen und Massenerschießungen durchführten. Diese Ehrungen geschehen mit staatlicher Duldung und teilweise offener Unterstützung durch Behörden.

Der jährliche Rigaer „Ehrenmarsch“ ist daher eine unerhörte Provokation für die Angehörigen der Opfer der lettischen Polizei und SS-Verbände und für die jüdischen, russischsprachigen und andere Minderheiten im Land. Er steht nicht nur im Gegensatz zu den Grundwerten der Europäischen Union, deren sonstige Vorzüge der lettische Staat andererseits gerne entgegennimmt, sondern ist auch eine Provokation gegenüber der Russischen Föderation und damit eine Gefahr für den Frieden in Europa.

Seit mehreren Jahren protestieren lettische und europäische Antifaschisten in Riga gegen diese Formen des Geschichtsrevisionismus. Die Reaktion der lettischen Behörden waren auch in diesem Jahr massiv, antifaschistische Demonstranten wurden erheblichen Repressalien ausgesetzt – Telefonüberwachung, Reisebeschränkungen auch gegenüber EU-Bürgern, Behördenschikanen, Polizeiwillkür, staatliche Einflussnahme auf Hotels und Veranstaltungsunternehmen. Dies galt auch für Unterstützer, die aus Deutschland und anderen Ländern anreisen. Teilweise wurde ihnen am Flughafen die Einreise verwehrt oder sie wurden unter Polizeibewachung an die litauische Grenze deportiert. Russische Veteranen, die mit einem Bus anreisten, hielt man bis zum Ende des Gedenkmarsches an der Grenze auf und verweigerte anschließend die Einreise. Dennoch protestierten auch in diesem Jahr Mitglieder der VVN-BdA und anderer Mitgliedsverbände der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) in Riga und in anderen europäischen Städten vor lettischen Botschaften und Konsulaten gegen die Verherrlichung von NS-Kollaborateuren und Massenmördern.

In Griechenland übergaben mehrere Dutzend Veteranen der „Panhellenischen Vereinigung der Veteranen des nationalen Widerstands“ (PEAEA) der lettischen Botschaft in Athen eine deutlich formulierte Protestnote. In Italien und Ungarn fanden ebenfalls Protestaktionen vor den Botschaften und Konsulaten statt. In Deutschland gab es Aktionen in Berlin, Bremen und weiteren Städten.

Die Antifaschisten appellierten an die Staaten der EU, auf die lettische Regierung einzuwirken, solche geschichtsrevisionistischen Tendenzen zurückzuweisen. Auch das russische Außenministerium verlangte eine klare Kritik der jährlichen Aufmärsche in der lettischen Hauptstadt. Die lettische Regierung sieht sich gezwungen, auf die Proteste zu reagieren. Zum einen verbreitet die Botschaft eine „Expertise“ über die lettischen SS-Freiwilligen, die diese von Kriegsverbrechen freisprechen und als „Kämpfer für die Freiheit Lettlands“ präsentieren. Zum anderen meldete sich vor wenigen Tagen bei der VVN-BdA eine „russische Journalistin“, die wissen wollte, ob die Fahrten nach Riga von Rossotrudnitschestwo (die Russische Auslandsgesellschaft, U.Sch.) bezahlt würden. Offenbar suchte man verzweifelt nach „Beweisen“, dass auch die Proteste in Riga von Russland gesteuert seien.

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"Todesschwadronen gefeiert", UZ vom 23. März 2018



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