Marieluise Beck und Ralf Fücks gründeten das Zentrum Liberal

Transatlantiker mit neuer „Denkfabrik“

Von Nina Hager

Bis zu diesem Jahr saß Frau Beck im Bundestag. 2017 hat sie sich der Neuwahl nicht mehr gestellt. Die Grünenpolitikerin war in der Schröder-Fischer-Regierung Staatssekretärin und Ausländerbeauftragte. In den letzten vier Jahren gehörte sie der Bundestagsdelegation in der parlamentarischen Versammlung des Europarates an. Dort schloss sich die Grüne der sogenannten ALDE an, der Allianz der liberalen Parteien in Europa, einer Fraktion im Europäischen Parlament. Ihre Begründung dafür ist heute, dass die FDP in dieser Zeit ja nicht im Bundestag und deshalb auch nicht im Europarat vertreten gewesen sei. Gemeinsam mit ihrem Mann, Ralf Fücks, der im Sommer aus dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung ausschied, gründete sie vor einigen Monaten das Zentrum Liberale Moderne (LibMod). In der vorigen Woche wurde dieses auf einem Festakt der Öffentlichkeit vorgestellt, zu dem man den früheren Bundespräsidenten Gauck geladen hatte, einleitende Worte zu sprechen.

Da schien die Welt noch in Ordnung, die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition, für die beide Sympathie hegten, waren noch nicht gescheitert. Doch auch so bleiben für beide früheren Grünenpolitiker und ihre „Mitstreiter“ – zu den Gesellschaftern gehören Eckart von Klaeden, früherer CDU-Staatsminister im Kanzleramt und heutiger Daimler-Lobbyist sowie Mitglied des Vorstands der Atlantik-Brücke, der ehemalige SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen, der frühere US-Botschafter in Berlin John Kornblum, Alexandra Gräfin Lambsdorff, Witwe des FDP-Politikers Otto Graf Lambsdorff, – noch genügend Politikfelder.

„Wer wir sind und was wir wollen“, wird auf der Internetseite der „Denkfabrik“, die am vorigen Mittwoch online ging, erklärt: Die „offene Gesellschaft“ vor ihren Feinden retten. International geht es um neue Ideen für die transatlantische Allianz „jenseits von Trump“ und die Stärkung des europäischen Zusammenhalts ohne Zentralisierung. „Der Aufschwung antiliberaler Kräfte in Europa und der Wahlsieg Donald Trumps stellen die Zukunft des Westens infrage. Sie sind Signale für die Erosion der transatlantischen Wertegemeinschaft von innen. …

Jetzt ist es an Europa, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen und die gemeinsamen Werte zu verteidigen. … Die Westbindung der Bundesrepublik ist ein Stützpfeiler europäischer Sicherheit und Demokratie. Wer sie durch die Achse Berlin-Moskau ersetzen will, gibt die normative Grundlage deutscher Außenpolitik auf. Die Wiederherstellung kooperativer Beziehungen zu Russland liegt im Interesse Deutschlands und Europas. Sie kann aber nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten Mittel- Osteuropas erfolgen.“ Deutlich ist das klare Bekenntnis zum Bündnis mit den USA und der NATO. Auch die Aufrüstungsverpflichtungen, welche die Mitglieder des Militärbündnisses eingegangen sind, sollen erfüllt werden.

Ein weiteres zentrales Thema ist der Konflikt in der Ukraine und – in diesem Zusammenhang – der Umgang mit Russland. Fücks und Beck stehen zu den Sanktionen der EU gegen Russland. Früh hatten sich beide an die Seite des „Euromaidan“ gestellt, dabei Geschichtsfälschung, aber auch die politische Unterstützung von Faschisten in Kauf genommen. Um die Menschen hierzulande über die Situation in der Ukraine zu „informieren“, ist ein Website-Projekt unter dem Dach des LibMod geplant. Beklagt wird, dass in den letzten 20 Jahren deutschlandweit weniger als ein Dutzend Studierende erfolgreich ein Studium der Ukrainistik als Hauptfach abgeschlossen haben. Entsprechend gering fließt dadurch Ukraine-Expertise in Arbeitsbereiche ein, in denen fundierte Kenntnisse über den zweitgrößten europäischen Flächenstaat vorhanden sein sollten. Auch wenn die staatliche Existenz der Ukraine nicht infrage steht, fehlen oftmals die notwendigen Kenntnisse darüber, worauf ihre nationale Eigenständigkeit fußt und welche historischen Entwicklungen diese begründen. Dies zeigt sich nicht zuletzt bei der Bewertung der russischen Interventionen auf der Krim und im Donbass.

Angesichts der zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft und der wachsenden Zustimmung für Parteien wie die AfD fordern die „Denkfabrikler“ eine Erneuerung des Modells der „sozialen Marktwirtschaft“, eines dritten Wegs „zwischen Laissez-Faire-Kapitalismus und Staatswirtschaft. Dazu gehören starke öffentliche Institutionen und ein nachhaltiger Ordnungsrahmen für die Märkte, eine faire Lastenteilung bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben und ein vertieftes Verständnis der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen.“ National geht es zugleich um eine ökologische Modernisierung der Industriegesellschaft durch einen Schub wissenschaftlich-technischer Innovation, eine Steuerung der Migration oder ein Bildungssystem, das Menschen befähigt, souverän mit dem Wandel umzugehen.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Transatlantiker mit neuer „Denkfabrik“", UZ vom 24. November 2017



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