Tausende gewerkschaftlich organisierte Kolleginnen und Kollegen des Öffentlichen Dienstes haben bei der Befragung zum Verhandlungsergebnis der Tarifrunde 2025 ihre Ablehnung signalisiert. Fragt man sie nach den Gründen, so wird ein Widerspruch immer wieder genannt: der sich spürbar verstärkende Arbeitsdruck, die sich verstärkende Arbeitsintensität und die daraus resultierende Belastung auf der einen, und – freundlich ausgedrückt – die ungenügenden Verhandlungsergebnisse auf der anderen Seite.
Vor allem im Sozial- und Erziehungsdienst und im Pflegebereich, aber durchaus auch darüber hinaus, sind die Kolleginnen und Kollegen seit Jahren mit immer heftigeren Arbeitsbedingungen konfrontiert. Immer wieder haben sie deshalb für eine spürbare Entlastung argumentiert und sich mit dieser Forderung aktiv in ihre Gewerkschaftsstrukturen, die Forderungsfindung und die Streikauseinandersetzungen eingebracht. Was sie bekommen haben, war auch der Bundestarifkommission und der Verhandlungskommission durchaus umstritten. Es ist das genaue Gegenteil von Entlastung, nämlich eine Öffnung des TVÖD in Richtung 42-Stunden-Woche. Der Tausch „Jahressonderzahlung gegen Erholungszeit“ wurde für die Beschäftigten im Pflegebereich von vorneherein ausgeschlossen und ist ohnehin nur eine Entlastung für diejenigen Entgeltgruppen, die sich diesen Kuhhandel leisten können. Dabei ist diese Tarifrunde mit einer Befragung zur Arbeitszeit gestartet, die vorgab, die Belastungssituation der Kolleginnen und Kollegen ernst zu nehmen. Was ist daraus geworden?
Arbeiten am Limit
Laut einer Untersuchung der Krankenkasse DAK vom April war der Krankenstand in der Berufsgruppe der nichtmedizinischen Gesundheitsberufe, zum Beispiel Pflege, 2024 am höchsten, gefolgt von der Berufsgruppe „Erziehung, soziale und hauswirtschaftliche Berufe“. Der DGB-Personalreport Öffentlicher Dienst 2024 spricht von 29,6 Tagen, die Beschäftigte in Kitas durchschnittlich krankgeschrieben sind. Das sind 9,5 mehr Arbeitsunfähigkeitstage als in anderen Berufsgruppen. Gleichzeitig berichtet das „Manager-Magazin“ auf Grundlage einer Anfrage der Partei „Die Linke“ an das Bundesarbeitsministerium von 1,3 Milliarden Überstunden in Deutschland im vergangenen Jahr, über die Hälfte davon unbezahlt.
Vor dem Hintergrund jahrzehntelangen Personalabbaus im Öffentlichen Dienst, gezielter Einsparmaßnahmen, „Effizienzoffensiven“ hochdotierter Wirtschaftsberatungsagenturen und daraus folgender „Umstrukturierungen“ wurde der Arbeitsalltag tausender Beschäftigter im Öffentlichen Dienst zunehmend kräftezehrender, zermürbender und gesundheitsgefährdender. Überstunden sind der Alltag, Arbeiten in Unterbesetzung auch. Auf die Forderungen nach Verbesserung der belastenden Situation haben die Verantwortlichen bei Bund und Kommunen mit Unverständnis und dem ausgestreckten Mittelfinger reagiert. Sie mahnten gar Dankbarkeit für die angeblich krisensicheren Jobs im Öffentlichen Dienst an. Dabei ist die Krise vielerorts unser Alltag im Öffentlichen Dienst. Weil es politisch in Bund und Kommunen so entschieden wurde, müssen wir mit immer weniger Personal seit Jahren immer mehr Aufgaben bewältigen. Wieso sollten wir uns das länger gefallen lassen?
Betriebliche Gegenwehr
An wie vielen Stellen funktioniert der Öffentliche Dienst nur, weil sich auf die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen verlassen wird, Überstunden zu leisten und entstandene Personallücken durch ihre Freizeit, ihre Erholung und damit auch ihre Gesundheit zu schließen. Das funktioniert aber nicht auf Dauer. So berichtete selbst das Institut der deutschen Wirtschaft 2024 von einer deutlichen Zunahme von Überlastungsanzeigen im Öffentlichen Dienst. Wenn die Kolleginnen und Kollegen diese Problematik zum Beispiel in der Tarifrunde, deutlich machen, aber dabei nur an die Einsicht der Personalabteilungen und politisch Verantwortlichen appellieren, dann ändert sich nichts. Es ändert sich nichts, da das politische Interesse, am und im Öffentlichen Dienst zu sparen, eine gewollte, politische Entscheidung ist. Unter dieser Entscheidung leiden wir als Beschäftigte ebenso wie der Rest der Gesellschaft. Eine mögliche und nötige Konsequenz daraus sollte das Entwickeln betrieblicher Gegenwehr und das grundsätzliche, im Idealfall kollektive Hinterfragen von Überstunden sein.
Jeder ist zum Ableisten seiner arbeitsvertraglich festgelegten Arbeitsstunden verpflichtet, mehr nicht. In der Praxis ergibt sich daraus häufig das Problem, dass durch Arbeitsverdichtung dennoch so viele Projekte zu bearbeiten, so viele Kinder zu betreuen und so viele Patienten zu versorgen sind, dass die Situation nur durch Überstunden lösbar erscheint. Doch wenn wir weiter nach diesem Prinzip verfahren, wird sich an der Grundproblematik nichts ändern. Der Schlüssel kann darin liegen, nicht individuell Überstunden zu verweigern, sondern das als Team, Abteilung oder ganze Gruppe zu diskutieren, zu verabreden und auch so anzukündigen. Auch bei Belastungsanzeigen gilt: im besten Fall mit allen im Dienst ausfüllen und auch gemeinsam das dann folgende Gespräch mit Vorgesetzten und Verantwortlichen führen.
In der Praxis hat in einigen Fällen bereits die Androhung (!), kollektiv Überstunden und das Einspringen aus dem Frei zu verweigern, zu einer Verbesserung der gröbsten Missstände geführt. Wichtig ist die Erkenntnis: Es gibt die Möglichkeit, sich gemeinsam gegen Überstunden und Überlastung zur Wehr zu setzen. Es gibt die Möglichkeit, sich dazu im Team abzusprechen und Unterstützung für diese Haltung durch den Personalrat einzufordern. ver.di hat in mehreren Untersuchungen den direkten Zusammenhang zwischen Überlastung, Arbeitsverdichtung und Gesundheitsgefährdung nachgewiesen. Wenn wir vorerst mit dem tariflichen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen gescheitert sind, dann kann und sollte die Antwort darauf das Weiterführen dieses Kampfes in den Abteilungen, Wohnbereichen, Gruppen und Teams sein.