Die WM in Russland als Wirtschaftsfaktor

Viel Geld, kaum Nutzen

Von Nina Hager

Adidas  will wie immer mitverdienen. Dafür darf es dann auch mal ein Hammer und eine Sichel auf dem Shirt sein.

Adidas will wie immer mitverdienen. Dafür darf es dann auch mal ein Hammer und eine Sichel auf dem Shirt sein.

( Scrennshot: adidas.de)

Am 14. Juni beginnt in Russland die Fußballweltmeisterschaft 2018 mit dem Spiel der russischen Mannschaft gegen die Saudi-Arabiens im Moskauer Luschniki-Stadion. Hier wird auch das Endspiel der WM stattfinden. Alles ist dafür herausgeputzt. Neue Stadien wurden in den Austragungsorten errichtet bzw. alte modernisiert. Die Infrastruktur wurde ausgebaut.

Die weit mehr als eine Million Fußballfans aus aller Welt, die erwartet werden, sollen nicht nur durch den Sport und die Gastfreundschaft überzeugt werden, sondern auch durch schöne Unterkünfte und gute Verkehrsanbindungen. Nicht wenige Menschen in Russland sind stolz, dass ihr Land ein solches Sportereignis ausrichtet. Auch wenn sie selbst die Ticketpreise nicht bezahlen können. Sie hoffen, dass die WM dem Land Ansehen und Anerkennung bringen wird und wollen gute Gastgeber sein.

Andere bleiben skeptisch, weil viel Geld für das Großereignis ausgegeben wird, das für sie aber keinerlei Verbesserung ihrer Lebenssituation bringt. Eindeutige Ablehnung kam von Anfang aus Kreisen der „demokratischen Opposition“: Die WM nutze nur Putin.

Noch nie gab es um eine Fußballweltmeisterschaft im Vorfeld zudem eine solche heftige politische Auseinandersetzung. Auch nicht 1978, vor und während der WM in Argentinien, in dem damals eine Militärdiktatur herrschte, während der viele Tausende verschwanden und ermordet wurden. Die hatte aber den „Segen“ der USA. Die WM in Russland sollte – ginge es nach dem britischen Außenminister Boris Johnson, einigen US-Senatoren und anderen Hardlinern – gar nicht stattfinden: Wegen des Ukrainekonflikts, der Krimbesetzung, Skripal, Syrien und so weiter. Den Boykott der Fußball-WM in Russland forderten jüngst in einem Offenen Brief 60 überwiegend aus der EVP- sowie der Grünen-Fraktion stammende EU-Parlamentarier. Im Falle Russlands könne man „nicht so tun, als sei diese Weltmeisterschaft ein Sportereignis wie jedes andere“, heißt es in dem von Rebecca Harms (Grüne) initiierten Brief.

Für den ukrainischen Präsidenten Poroschenko ist die WM 2018 „ein reines Propagandainstrument, um den angeschlagenen Ruf Russlands zu tünchen. Das hat nichts mit Sport zu tun. Dies ist eine Frage der Geopolitik“. Jeder solle aber selbst entscheiden, „ob man dorthin geht oder nicht“.

Dagegen freuen sich Fußballfans in aller Welt auf die Spiele ihrer Mannschaften. Andere Politiker, so der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Dirk Wiese (SPD), lehnen einen Boykott ab. Mitte April, 72 Tage vor dem Start der WM, hatte die FIFA bereits fast 1,7 Millionen Tickets verkauft, davon 53 Prozent an Fans in Westeuropa, Nord- und Südamerika, Afrika und Asien.

Insgesamt hat Russland bis Ende 2017 für die WM-Vorbereitung 634 Milliarden Rubel ausgeben. Dabei hatte und hat man mit massiver Korruption und Baupfusch zu kämpfen. Das Stadion in St. Petersburg gilt mittlerweile als das teuerste der Welt. Um es fertigzustellen, wurde in anderen – vor allem sozialen – Bereichen gekürzt. Die Gesamtkosten für die Weltmeisterschaft in Russland werden auf bis zu 13,2 Milliarden Dollar geschätzt. Wie viele neue dauerhafte Arbeitsplätze das gebracht hat, steht in keiner Statistik.

Und es kann passieren, dass nicht wenige „normale“ Touristen, die kein Interesse an der WM haben, ihre Reise absagen oder verschieben, um unnötigen Stress zu vermeiden. Auch, weil während des Turniers mit höheren Preisen gerechnet wird. Das könnte die Einnahmen mindern. Zudem werden nach der WM einige Städte, so Samara, die neuerbauten Stadien nicht mehr bewirtschaften können. Wahrscheinlich ist, dass die Stadien – wie nach vielen sportlichen Großereignissen in anderen Ländern – verrotten oder an private Investoren verkauft werden.

Es handelt sich hierbei, wie auch bei der Korruption, nicht um „russische Markenzeichen“, wie es der russische Oppositionelle Ilja Jaschin in einem Interview mit „Sport Inside“ (WDR, 17.11.2017) glauben machen wollte. Der wirtschaftliche Nutzen der WM für die russische Wirtschaft insgesamt, die immer noch in der Krise ist, wird von Ökonomen jedoch als nur kurzfristig und sehr gering eingeschätzt.

Am 3. Mai konnte der alte und neue russische Präsident Putin auf einem Treffen in Sotschi erklären, alle Stadien seien einsatzbereit. Die Stimmung im Land wird jetzt auch davon abhängen, wie weit die russische Mannschaft im Turnier kommt.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Viel Geld, kaum Nutzen", UZ vom 11. Mai 2018



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