Nach Hamas-Angriffen bombardiert Israel Gaza und riegelt es von Außenwelt ab

Völkermord in Gaza

Tausende Tote, Raketen auf Israel und Gaza, keine Rücksicht auf Zivilisten, die Mobilisierung von 300.000 Reservisten und die komplette Abriegelung Gazas sind die erste Bilanz des eskalierten Konfliktes zwischen Israel und Palästina.

Eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Situation in Palästina endete ohne Ergebnis und ohne Verurteilung der Hamas. Die westlichen Staaten stellten sich in einer gemeinsamen Erklärung sofort auf die Seite der israelischen Kolonialmacht. USA, Deutschland, Frankreich, Britannien und Italien versprachen die standhafte und vereinigte Unterstützung für Israel.

Es gab keine Verurteilung der massiven israelischen Bombenangriffe auf eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt mit mehr als 12.000 Einwohnern pro Quadratkilometer. Stattdessen werden die Hilfsgelder der EU für Gaza in Frage gestellt. Vom Schutz von Zivilisten ist keine Rede. Stattdessen nimmt der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant in einer rassistischen Erklärung die zwei Millionen Einwohner von Gaza in Sippenhaft: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere (,human animals‘) und handeln entsprechend: Kein Strom, kein Gas, kein Wasser – nichts gelangt mehr nach Gaza.“

Auch Wohngebäude, Schulen und Einrichtungen der Vereinten Nationen wurden nach Angaben des UN-Hochkommissars für Menschenrechte Volker Türk zerstört. Medizinische Vorräte sind in Gaza inzwischen aufgebraucht. Türk wies darauf hin, dass die Abriegelung Gazas Menschenleben von Zivilisten gefährde – und damit nach humanitärem Völkerrecht verboten sei.

„Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen diesen perfiden Terror zu verteidigen“, sagt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Zum Terror, Menschen in Gaza einzusperren, sie auszuhungern und zu bombardieren schweigt sie. Die Hamas klagt in einer Erklärung das Schweigen der Welt an, die die Rechte der Palästinenser ignoriert hat.

Der Mythos von Israel als unbesiegbare Militärmacht im Nahen Osten war Grundlage seiner Sicherheit und Grundlage dafür, dass Diskussionen über einen palästinensischen Staat belanglos wurden. Dieser Mythos hat weitere Scharten erhalten. Jahrzehntelang wurde über einen Staat der Palästinenser gesprochen, doch durch die permanente Ausweitung israelischer Siedlungen wurde er von Jahr zu Jahr in eine fernere, unbekannte Zukunft verlegt. Kuba verlangte von den UN, der Straflosigkeit, mit der Israel seine Besatzungspolitik verfolgt, ein Ende zu setzen. Doch auch diese Forderung verhallt ungehört. Die Westbank sollte faktisch zum Teil Israels werden, abgesichert durch die Armee der Besatzungsmacht. Dies widersprach allen internationalen Übereinkünften, unzähligen UN-Resolutionen und blieb doch folgenlos. Jetzt könnte die Erkenntnis, dass die Hamas, die Hisbollah und auf der Westbank agierende Organisationen wie „Lions Den“ tatsächlich eine militärische Bedrohung für Israel darstellen, mehr für einen Verhandlungsprozess bewirken als papierene Erklärungen der UN.

Aber der rechtsradikalen Regierung in Tel Aviv bleibt noch ein anderes Erklärungsmuster, das in israelischen Medien bereits diskutiert wird. Der Iran sei der eigentliche Drahtzieher und Organisator des Angriffs. Selbst der israelische Präsident Herzog sprach in seiner Rede am Sonntag „von einer bösen Achse, deren Basis im Iran“ liege.

Die Eskalation im Norden, die Kämpfe auf der Westbank, der Angriff der Hamas sind eine Warnung an Israel und seine Verbündeten. Sie zeigen, dass die barbarische Besatzungspolitik Israels ihren Preis hat, der selbst die Existenz Israels bedroht. Es bleibt nur der Weg zu ernst gemeinten Verhandlungen – oder zu einer Ausweitung des Krieges mit unabsehbaren Folgen. Der Status quo der Besatzungspolitik ist gescheitert.

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"Völkermord in Gaza", UZ vom 13. Oktober 2023



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