Nach der Marine-Provokation: Wozu der ukrainische Präsident das Kriegsrecht braucht

Vom Wahlkampf zum Krieg?

Von Melina Deymann

Nach einer Verletzung seiner Hoheitsgewässer hat Russland am vergangenen Montag den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebeten, eine Debatte zur „Verletzung russischer Grenzen“ anzusetzen und ist damit gescheitert. Lediglich China, Bolivien und Kasachstan stimmten in dem aus fünfzehn Ländern bestehenden Gremium für den Antrag. Die US-Botschafterin bei der UN, Nikki Haley, warf Russland „illegale Handlungen“ beim Vorgehen gegen die ukrainischen Marineschiffe in der Meerenge von Kertsch vor.

Am vergangenen Sonntag hatte die Grenzabteilung des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) drei Schiffe der Seestreitkräfte der Ukraine aufgehalten, die ohne Genehmigung in die territorialen Gewässer der Russischen Föderation eingedrungen waren. Die Ukraine schickte umgehend weitere Schiffe, die aber abdrehten. Nach Auskunft des FSB gab es gegen 19 Uhr einen weiteren Versuch „ungesetzlicher Handlungen“, der, auch unter Einsatz von Schusswaffen, vom FSB unterbunden wurde. Die Schiffe wurden aufgebracht und in den Hafen von Kertsch geleitet, die Verletzten werden in Krankenhäusern behandelt, die Marinesoldaten angeklagt.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erließ am Montag auf Anraten des „Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine“ für 60 Tage das Kriegsrecht. Die Oberste Rada, das Parlament der Ukraine, sollte diesen Erlass am Montagabend bestätigen. Doch das Parlament wollte nur 30 Tage genehmigen, Poroschenko änderte daraufhin seinen Antrag ab. Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, sieht innenpolitische Gründe für die Provokation: „Es liegt doch klar auf der Hand, dass die ganze Aktion und die Ausrufung des Kriegsrechts in der Ukraine ein Wahlkampfmanöver ist.“ Poroschenko wäre Kriegsrecht für 60 Tage – und damit eine Verschiebung der Wahl im März – zupassgekommen. Er liegt in Umfragen auf Platz drei hinter seiner Herausforderin Timoschenko. Das Parlament stimmte den 30 Tagen zu, legte aber auch fest, dass die Wahlen wie geplant am 31. März nächsten Jahres stattfinden werden. Innenpolitisch ist das Manöver also nur zum Teil geglückt. Zum Kriegsrecht gehörenden Verbote von Streiks und Massenaktionen, Zensurmaßnahmen, Ausgangssperren und die Arbeitspflicht zum Zwecke der Verteidigung.

Für die Kriegstreiber gegen Russland war die Provokation der Ukraine ein gefundenes Fressen. Während die Ukraine weder die diplomatischen Beziehungen zu Russland abgebrochen, noch Grenzen geschlossen hat, verlangte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, in einem Interview mit der „Bild“ die Entsendung von EU- und NATO-Kriegsschiffen in das Asowsche Meer. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg beeilte sich Russland unverhohlen zu drohen: „Russland muss begreifen, dass seine Handlungen Konsequenzen haben“, verkündete er nach einem Treffen der Nato-Ukraine-Kommission. Russlands Außenminister Lawrow wies währenddessen darauf hin, dass das Verhalten der ukrainischen Marineschiffe „Schlüsselregelungen des internationalen Rechts verletzt“. „Als die ukrainische Seite diese Provokation plante, rechnete sie wohl mit zusätzlichem Nutzen, den sie aus dieser Situation ziehen will, da sich die USA und Europa immer blind auf die Seite der Provokateure stellen werden.“

Bundeskanzlerin Merkel telefonierte sowohl mit Poroschenko als auch mit dem russischen Präsident Putin. Sie habe im Gespräch mit Putin die Notwendigkeit von Deeskalation und Dialog betont, so Regierungssprecher Seibert am Dienstag.

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, warnte im Gespräch mit UZ: „Die Ukraine provoziert und NATO und EU gießen Brandbeschleuniger.“ Auch deutsche Außenpolitiker, allen voran leider einmal wieder die Grünen-Politikerin Rebecca Harms, bliesen verbal zum Angriff und riefen nach ‚NATO-Präsenz im Schwarzen Meer‘. Das sei hochgefährlich sagte Köbele. „Denn die Lage ist explosiv und jede Provokation beinhaltet die Gefahr einer Eskalation zum Flächenbrand.“

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Vom Wahlkampf zum Krieg?", UZ vom 30. November 2018



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