„Handlungskonzept Wohnen“ und „Preisgedämpftes Wohnen“

Windeier

Von Uwe Koopmann

In Düsseldorf wie wohl in jeder anderen Großstadt wird die Schere gezielt weiter geöffnet: Die Zahl der Berechtigten für einen Wohnberechtigungsschein steigt. Derzeit ist es etwa die Hälfte der Bevölkerung. Jedes Jahr gibt es 5 400 neue Wohnberechtigungsscheine. Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl der Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen. Das ist politisch gewollt. Und ökonomisch attraktiv – für die Investoren und Vermieter. Benachteiligt sind die Mieter, die unterm Strich mehr Miete zahlen müssen, und die Kommunen, die private Investoren mit Fördermitteln beglücken.

Die Zahlen unter der Lupe betrachtet: 2 000 Sozialwohnungen sollen in den nächsten Jahren bezogen werden. Auf der anderen Seite wurden aus 60000 Sozialwohnungen (1990) nur noch 18300 (2014). Bei gleichbleibender Geschwindigkeit wäre das Defizit in 16 Jahren ausgeglichen. Die Wohnungen werden aber heute benötigt und nicht erst im Jahr 2032. 200 neue Wohnungen schafft die Städtische Wohnungsbaugesellschaft pro Jahr. Dazu kommen 300 Modernisierungen, 100 davon sind Sozialwohnungen. Die Rechnung geht vorne und hinten nicht auf.

Um das Scheitern des privatwirtschaftlichen Marktes zu verschleiern, werden wohnungspolitische Windeier aufgeblasen und Nebelkerzen geworfen. Diese Instrumente heißen in Düsseldorf „Handlungskonzept Wohnen“ und „Preisgedämpftes Wohnen“. Sie gehen zurück auf die letzte schwarz-gelbe Koalition am Rhein, bei Unterstützung durch die Ratsfraktion der Grünen. Im Handlungskonzept Wohnen wurde zunächst festgelegt, dass bei 100 neuen Wohnungen 20 Prozent im geförderten Wohnungsbau entstehen sollten, weitere 20 Prozent im preisgedämpften Mietwohnungsbau. Nach der Kommunalwahl gab es graduelle Verschiebungen unter dem neuen Oberbürgermeister Geisel (SPD): Jetzt werden 20 bis 30 Prozent gefördert und mindestens 10 bis 20 Prozent müssen dem preisgedämpften Wohnen zugerechnet werden. Die Miete soll dann bei 9,50 Euro kalt liegen. Ausnahmen werden eingeräumt.

Bislang ist noch kein Haus fertig, das nach dem neuen vor drei Jahren verabschiedeten Konzept errichtet wurde. Die Stadt hat eine Erklärung bereit. Die Quotenregelung konnte nicht greifen, da die Bauprojekte vor Inkrafttreten des Regelwerkes gestartet wurden. Das treffe, so die Stadt, auch für das „Glasmacherviertel“ in Gerresheim zu.

Die DKP untersuchte die Situation: Vor genau elf Jahren wurde die Glashütte nach langen Protesten geschlossen. 200000 qm des Areals gingen an die Patrizia Immobilien AG 100000 qm an die Stadt Düsseldorf. Die Patrizia verdichtete ihre Pläne: Statt 560 Wohneinheiten sollen es nun 1400 werden. Mit teuren Werkstattverfahren wurden den Bürgern „blühende Landschaften“ präsentiert. Sie durften sogar eigene Vorschläge einbringen.

2014 kritisierte Thomas Geisel als OB-Kandidat seinen Konkurrenten, den damaligen Amtsinhaber Dirk Elbers (CDU), weil der sich nicht anschickte, das Handlungskonzept Wohnen auf dem Hüttengelände durchzusetzen. Die DKP kritisierte: Hier wird die Patrizia durch Verzicht auf das Handlungskonzept Wohnen entlastet – und gleichzeitig darf sie das Bauland intensiver „ausbeuten“. Es kommt aber noch schlimmer, denn der neue SPD-OB verzichtet nun – entgegen seinen Aussagen von vor der Wahl – ebenfalls auf die Quotenregelung. Begründung: Die Quotenregelung sei erst nach Patrizias Projektbeginn rechtskräftig geworden. Die DKP fragt die Politik: Kann ein Projekt beginnen, bevor es einen Bebauungsplan und eine Baugenehmigung gibt? Sie sieht hier die geschmeidige Anwendung eines untauglichen Regelwerks.

Der „Markt“ hätte zudem längst wenigstens partiell entlastet werden können, wenn die Stadt damit begonnen hätte, in Eigenregie auf ihrem eigenen Bauland, den verbliebenen 100000 qm der Glashüttenbrache, eigene Häuser zu erstellen – in demokratischer Planungsbegleitung durch die Bevölkerung. Dadurch wäre „bezahlbares Wohnen“ entstanden. Und eine Systemfrage wäre aufgeworfen worden. Die DKP sieht daher nur Lösungen, wenn die Bevölkerung mehr und mehr über den kapitalistischen Tellerrand sieht.

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"Windeier", UZ vom 30. September 2016



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