Die Rüstungsindustrie lässt es krachen

70 Jahre nach Hiroshima

Von Werner Sarbok

Mitten im Kalten Krieg: Operation Buster-Dog im Jahr 1951. Insgesamt 2796 Soldaten beobachten im Rahmen des Manövers „Desert Rock I“ die Explosion und die radioaktive Wolke aus knapp 11 Kilometern Entfernung. Acht Minuten nach der Explosion erreichte die

Mitten im Kalten Krieg: Operation Buster-Dog im Jahr 1951. Insgesamt 2796 Soldaten beobachten im Rahmen des Manövers „Desert Rock I“ die Explosion und die radioaktive Wolke aus knapp 11 Kilometern Entfernung. Acht Minuten nach der Explosion erreichte die

( Department of Defence/public domain)

Tausendfach droht auch 70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki der Atomtod: Die neun Atommächte dieser Welt sind mühelos in der Lage, mit über 15 000 Nuklearwaffen die menschliche Existenz auszulöschen. Die zahlenmäßige Reduzierung, vor allem zwischen den USA und Russland ausgehandelt, hat kaum Einfluss auf die Menge der Systeme. Weniger als 500 veraltete Systeme wurden ausgemustert. Und: Die Anzahl der mit „hoher operationeller Bereitschaft“ einsatzbereiten Atomwaffen ist sogar im vergangenen Jahr um etwa 150 auf jetzt 4 300 angewachsen.

Zusätzlich werden aktuell Unsummen für die Weiterentwicklung verschleudert. Mit Hochdruck arbeiten die Atommächte an der Modernisierung ihrer mörderischen Arsenale. Shannon Kile, Forscher des Internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI, zeichnet im aktuellen Jahrbuch des Instituts ein düsteres Zukunftsbild: „Trotz des internationalen Interesses, nukleare Abrüstung zu priorisieren, zeigen die Modernisierungsprogramme in den Staaten mit Atomwaffenbesitz, dass keiner von ihnen seine Kernwaffenbestände in absehbarer Zeit aufgeben wird.“

Russland verfügt über 7 500 atomare Waffensysteme, die USA 7 260. Beide Länder führen damit weit die Liste der Atomwaffenstaaten an. Doch auch aus Frankreich, Großbritannien, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea droht der Atomtod. Und auch in diesen Staaten wird laut SIPRI an der technischen Weiterentwicklung der Atomwaffen gearbeitet.

Die Nato zückt zudem wieder die nukleare Karte. Im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine testete die US Air-Force im Mai 2014 nicht nur die „Einsatzfähigkeit amerikanischer Atomwaffen“ in Polen und verlegte auch atomwaffenfähige B-2- und B-52-Langstreckenbomber für einige Wochen nach Großbritannien. Vor diesem Hintergrund warnten Berliner Regierungsberater bereits im November 2014 vor einer „Nuklearisierung“ des sich verhärtenden Konflikts zwischen der NATO und Russland. Hintergrund sind zunehmende Manöver und andere militärische Maßnahmen auf beiden Seiten, die „nukleare Komponenten“ beinhalten.

Im Mai dieses Jahres starteten die USA den Raumgleiter X-37B. Die Ziele der Missionen werden geheim gehalten. Es steht zu befürchten, dass dieser Raumgleiter vor allem auch entwickelt wurde, um Waffen ins All zu transportieren. Diese Möglichkeit hatte auch das Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung (UNIDIR) bereits nach dem ersten Start nicht ausgeschlossen. Dies würde durchaus dem Pentagon-Konzept zum so genannten Prompt Global Strike, das einen Militärschlag in jeder Ecke der Welt binnen zwei Stunden ermöglichen soll, entsprechen. Mit seiner Nutzlastkapazität wäre der US-Raumgleiter in der Lage, auch Atomwaffen zu tragen.

Unabhängig vom atomaren Drohszenarium charakterisiert SIPRI 2014 als „besonders gewaltsames Jahr“. Nie habe es seit dem Jahr 2000 es mehr Kriege gegeben. Ein Türöffner für die zunehmende imperialistische Interventionspolitik ist die Nutzung militärischer Roboter.

Der US-geführte globale „Krieg gegen den Terror“ habe das Gebiet eines bewaffneten Konflikts so weit ausgedehnt, „dass es auch die zivilen Rückzugsräume der mutmaßlichen Angreifer umfasst. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass solche Angriffe überwiegend als Geheimoperationen der CIA stattfinden. Schon jetzt scheint der Gewalteinsatz unterhalb der Konsequenzen und Empfehlungen für die deutsche Sicherheitspolitik definitorischen Schwelle eines gewaltsamen internationalen Konflikts mehr und mehr zum Normalfall zu werden“, stellt Marcel Dickow, Leiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Forschungsgruppe Sicherheitspolitik in seiner Arbeit „Robotik – ein Game-Changer für Militär und Sicherheitspolitik?“ fest.

Auch militärische Robotertechnik ist überall auf dem Vormarsch: Im und unter Wasser, in der Luft, zu Lande und im Weltraum. „Amerikanische und israelische, aber auch deutsche Firmen arbeiten an Prototypen für ferngesteuerte und teilautonome Ketten- und Radfahrzeuge unterschiedlicher Größe. Jede Gattung ist vertreten – vom autonomen Schützenpanzer24 bis zum Kettenroboter“, bilanziert Marcel Dickow. Seine Zukunftsprognose: „In den kommenden Jahren werden Roboter nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ das Aussehen und die Funktionsweise von Streitkräften verändern. Sie werden sich von reinen ferngesteuerten Maschinen – etwa zur Bombenentschärfung oder als bewegliche Videokamera in Gebäuden – zu vernetzten Systemen fortentwickeln, die eigenständig agieren und Aufträge erfüllen.“

Die Gewinnerwartungen der Rüstungskonzerne steigen in Traumzonen. 70 Jahre nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki bleibt der Kampf gegen den Atomtod, für die Auflösung des aggressiven Nato-Bündnisses, für Rüstungskonversion, und die Heimreise aller außerhalb unserer Grenzen stationierten Bundeswehrangehörigen das Gebot der Stunde.

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"70 Jahre nach Hiroshima", UZ vom 7. August 2015



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