Venezuela auf dem Weg zu einer neuen Verfassung

Angriffe, vor allem von außen

Von Lars Mörking

Die verfassunggebende Versammlung (Constituyente) hat ihre Arbeit aufgenommen. Als erste Entscheidung wählten die 545 Abgeordneten die frühere Außenministerin Delcy Rodríguez zur Präsidentin der Constituyente. Vizepräsidenten sind Aristóbulo Istúriz und Isaías Rodríguez, die beide bereits der Versammlung angehörten, die die Verfassung von 1999 erarbeitet hatte.

Eine weitere Entscheidung der Constituyente betraf die Absetzung von Luisa Ortega, die in ihrem Amt als Generalstaatsanwältin versucht hatte, das Zustandekommen der Versammlung zu verhindern. „In Venezuela ist ein Putsch gegen die Verfassung in vollem Gange“, sagte Ortega zu ihrer Absetzung. Zum neuen Generalstaatsanwalt wurde Tarek William Saab ernannt, der Ortega vor allem vorwarf, angesichts der über hundert Opfer gewaltsamer Proteste nicht gehandelt zu haben. Sie habe das Recht vernachlässigt, nicht früh genug agiert und gewalttätigen Gruppen erlaubt, Bereiche unter ihre Kontrolle zu bringen, die nun von ihnen befreit werden müssten, um wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. Die Zeit der Straflosigkeit für Gewalttäter sei nun vorbei, so Saab.

Die südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay schlossen als Reaktion auf die Entlassung Ortegas Venezuela aus dem Wirtschaftsblock Mercosur aus. Die USA drohen mit Sanktionen, darunter einem Ölimportstopp. Auch die Europäische Union hat die jüngsten Entwicklungen in Venezuela kritisiert und erneut einseitig die Regierung und deren Unterstützer für die Krise verantwortlich gemacht. „Der Amtsantritt der Verfassunggebenden Versammlung und deren erste Handlungen, darunter die Entfernung Luisa Ortegas aus ihrem Amt als Generalstaatsanwältin, haben die Aussicht auf eine friedliche Rückkehr zur demokratischen Ordnung in Venezuela weiter verschlechtert“, ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wissen.

Die Angriffe auf den Versuch, die Verhältnisse in Venezuela zu stabilisieren, kamen allerdings nicht ausschließlich von außen. In der venezolanischen Stadt Valencia griffen am vergangenen Sonntag Bewaffnete einen Stützpunkt der Bolivarischen Nationalen Streitkräfte an. Die Attacke konnte schnell zurückgeschlagen werden, zwei der Angreifer wurden dabei nach Regierungsangaben getötet und acht festgenommen. Sie kamen nach Aussagen der Streitkräfte nicht weiter als bis in den Eingangsbereich der Kaserne. In einer Erklärung des Oberkommandos der venezolanischen Streitkräfte hieß es, die gefassten Angreifer hätten gestanden, durch extremen Rechte angeheuert worden zu sein, die in Verbindung zu ausländischen Regierungen stünden.

Die Proteste der Opposition scheinen derweil abzuebben. Das Handelsblatt bedauerte, dass den Aufrufen der Opposition zu Protesten gegen die verfassunggebende Versammlung „so wenige Menschen wie lange nicht mehr“ gefolgt seien. Es seien nur wenige Hundert Demonstranten zu sehen gewesen. Das sei laut Handelsblatt dadurch zu erklären, dass die Angst umgehe, verhaftet zu werden. Diese Sorge ist insofern berechtigt, als Angriffe auf soziale Einrichtungen, Wahlbüros und Regierungsanhänger, wie sie in der Vergangenheit vorgekommen sind, nicht mehr straffrei bleiben, wenn man den Ankündigungen des neuen Generalstaatsanwalts Glauben schenken kann.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Angriffe, vor allem von außen", UZ vom 11. August 2017



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