Das beste schlechteste Spiel aller Zeiten

Au Backe.

Von Karl Rehnagel

Diesmal war alles ganz anders. Die Sonne schien und der Laden hatte draußen eine zusätzliche Großleinwand aufgebaut, wie immer im „Sommer“. Die schöne M. und ich beschlossen, nicht unterm nikotinvergilbten Vordach zu hocken und gaben uns der Wärme draußen hin. Gartenstrubbel A. kam dazu, Rastamann Schürrle und Architekt F., der immer ein wenig wie Professor Bienlein von Tim & Struppi aussieht, sowie zusätzlich mehrere Freundinnen der schönen M., was mich ziemlich verwirrte. Sie hat Freundinnen? Der Blick auf die Leinwand war katastrophal wegen des Sonneneinfalls und die Freundinnen am Tisch betranken sich äußerst rasant mit etwas, das so ähnlich hieß wie Halbling, ich hab‘s vergessen, ein Weißwein wohl. U., der Mann ohne Zähne, blieb unterm Dach, „Ich gucke immer hier!“ Au Backe.

In den nächsten circa 100 Minuten ärgerte ich mich über kalten Wind, betrunkenes, leicht hysterisches Frauengelächter und ein Fernsehbild, das maximal erahnen ließ, dass darauf ein Fußballspiel übertragen wurde. Was ich nicht erahnte: Wir verpassten rein gar nichts. Das Spiel war so schlecht und langweilig, dass eine Langzeitdokumentation über das Paarungsverhalten des gemeinen Wellensittichs dagegen sicherlich eine Offenbarung gewesen wäre. Dortmund spielte 90 Minuten Murx, Wolfsburg war kaum besser und als alle schon langsam ihre Sachen zusammen suchten, kam der Knall: Paco Alcazer, Freistoß, Tor. Der ganze Laden hüpfte umher und als der gleiche Paco drei Minuten später mit seinem rechten Fuß sein linkes Bein anschoss, was man ja wirklich erst mal schaffen muss, trudelte das Leder von dort zum 2:0 Endstand ins Netz. Unverdient. Unmöglich. Unfassbar! Tabellenführer! Und Gratis-Wodka vom Wirt. Au Backe.

Und sonst? Bayern verspielte die Tabellenführung mit einem Grottenkick in Freiburg (1:1). Ziemlich peinlich. Gladbach ging 1:3 gegen Düsseldorf unter. Sehr peinlich. Und Hertha schaffte ein 0:5 (!) in Leipzig. Ganz, ganz peinlich. Fast genauso schlimm Leverkusen in Hoffenheim mit 1:4. Trainer Bosz spielt wohl jetzt in Leverkusen nach, was er einst in Dortmund schon zeigte. Schalke schaffte es tatsächlich mal zu gewinnen. 1:0 in Hannover. Junge, Junge, das war aber bestimmt ein Zuckerspiel erster Kajüte – nicht! Und Frankfurt? 3:0. Ganz cool.

Gartenstrubbel A. und ich ließen die schöne M. nach dem Spiel wortwörtlich sitzen und begaben uns noch auf die Reise ins Land der rollenden Kugeln, zum Billardspielen. Unsere ersten Herausforderer waren betrunkene BVB-Fans von auswärts mit einem grausamen Akzent. Ich jedenfalls werde um Mannheim und Umgegend für die nächsten 09 Jahre einen großen Bogen machen, oder im Mannheimerischen gesagt: „Blos mer de Howwl aus!“ Brrr, dagegen hat das Sächsische ja fast was Melodisches. Wir jedenfalls zollten auch bald dem genossenen Alkohol und besseren Gegnern Tribut und trollten uns nach der dritten Niederlage am Tisch in Folge, fröhlich angezwitschert an Stefan Reuter denkend: „Zwei Blinde sehen auch nicht blinder als einer.“ Au Backe.

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"Au Backe.", UZ vom 5. April 2019



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