Forderungen nach dem Ausschluss der russischen Mannschaft von den Winterspielen und den Paralympics werden lauter

Auch politisch gewollt

Von nh

Den russischen Sportlern droht der Ausschluss von den Olympischen Winterspielen und den Paraolympischen Spielen im südkoreanischen Pyeongchang. Die internationale Dopingagentur Wada lehnte in der vergangenen Woche auf einer Tagung in Seoul eine Wiedereingliederung der Rusada, der russischen Anti-Dopingagentur, ab. Die Rusada ist seit 2015 gesperrt. Das Internationale Paraolympische Komitee (IPC) hatte für die Teilnahme russischer Sportlerinnen und Sportler an den Paraolympischen Spielen zur Voraussetzung gemacht, dass die Wada die Sperre der Rusada aufhebt.

Nationale Anti-Dopingverbände begrüßten die Entscheidung der Wada, forderten noch mehr Konsequenzen. Am Montag sprach sich Horst Hüttel, Sportlicher Leiter der Skispringer und Kombinierer im Deutschen Skiverband (DSV), laut „Deutschlandfunk“ für den Ausschluss Russlands von den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang aus. Das sei „die einzige konsequente Entscheidung, die zu treffen ist“. Dabei gehören die russischen Skispringer nicht zur Weltspitze, sind derzeit kaum konkurrenzfähig – und auch die Kombinierer glänzten in den vergangenen Jahren nicht mit Podestplätzen. Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gab es für die Kombinierer selbst zu Zeiten der Sowjetunion nie.

In der Begründung der Wada hieß es jetzt, dass die russische Anti-Dopingagentur zwar die Mehrzahl der Vorgaben erfüllt und ihre Arbeit deutlich verbessert habe, aber zwei Forderungen seien nicht erledigt worden. Dabei handelt es sich um die Anerkennung der Ergebnisse der Reports von Wada-Sonderermittler Richard McLaren – verbunden mit dem Eingeständnis der russischen Politik, ein flächendeckendes Doping-System betrieben zu haben, – sowie um das Eingeständnis Dopingtests der Winterspiele 2014 in Sotschi manipuliert zu haben. Außerdem forderte die Wada den Zugang zu weiteren Dopingproben im Moskauer Labor. Nun hat das Internationale Olympische Komitee das letzte Wort. Das wird voraussichtlich Anfang Dezember darüber befinden. Ob Sportler des ganzen Landes bestraft werden, hängt davon ab, ob die Entscheidungsträger des IOC um Präsident Thomas Bach dem Schluss von Sonderermittler Richard McLaren folgen, dass es ein staatlich gestütztes Dopingprogramm und entsprechende Manipulationen in Sotschi gab. Die Entscheidung soll am 5. Dezember in Lausanne verkündet werden.

Noch im vergangenen Jahr hatte das IOC trotz der massiven Doping-Vorwürfe auf eine Sperre aller russischen Sportler bei den Olympischen Sommerspielen in Rio verzichtet. Athleten, die gegenüber ihren jeweiligen Weltverbänden den Nachweis erbringen konnten, nicht in das russische Staatsdopingsystem involviert gewesen zu sein, durften in Brasilien in einer Reihe von Sportarten tatsächlich starten. Bei der Leichtathletik-WM in diesem Jahr durften russische Athletinnen und Athleten – im neutralen Sportdress, ohne Hoheitszeichen und Hymne – nur antreten, wenn sie nachweisen konnten, dass sie alle notwendigen Dopingtests absolviert hatten. Anerkannt wurde das letztlich nur, wenn sie dauerhaft international unterwegs waren und entsprechende Kontrollen durchliefen oder dauerhaft in anderen Ländern lebten und trainierten – so in den USA. Als gäbe es dort und in anderen Ländern kein Dopingproblem. Eine ähnlich umfassende Entscheidung in Bezug auf gleichfalls bekannt gewordene Dopingvorwürfe im Zusammenhang mit kenianischen Spitzenläuferinnen und -läufern erfolgte nicht. 68 russische Leichtathletinnen und -athleten klagten vor der WM gegen ihr Startverbot und verloren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS.

Und auch dieses Mal könnte russischen Sportlerinnen und Sportler, die sich nicht oder nicht wissentlich an Dopingpraktiken beteiligt haben, die Teilnahme an den wichtigsten Höhepunkten im Leben einer Sportlerin, eines Sportlers verweigert werden – wieder könnte es eine Kollektivstrafe an Stelle von Einzelnachweisen geben. Dass das auch mit Blick auf Russland politisch gewollt ist, steht mittlerweile längst außer Frage. Es geht nicht nur um Sport und den Kampf gegen Dopingpraktiken, die es nicht nur deshalb wohl noch lange – und mit immer raffinierteren Mitteln – geben wird, weil mit Siegen viel Anerkennung verbunden ist, oft eine weitere Förderung und soziale Absicherung, manchmal viel Geld. Doch auch die Politik spielt, und nicht erst seit heute, eine Rolle. Auch wenn es darum geht, die „Anderen“ unter Druck zu setzen.

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"Auch politisch gewollt", UZ vom 24. November 2017



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