Internetfirmen und ihre faschistischen Kunden

Blockieren, löschen, rausschmeißen

Von Wiljo Heinen

In Reaktion auf den rechten Terror von Charlottesville haben auch große Internet-Plattformen rassistische und faschistische Propaganda blockiert, gelöscht und rausgeschmissen.

Ich leugne nicht, dass es mich freut, wenn Facebook rechte Gruppen löscht und Spotify einige Hass-Lieder, wenn Google und GoDaddy dafür sorgen, dass manche gruselige Seite nicht mehr so leicht zu finden ist, und wenn man hakenkreuzende T-Shirts nicht mehr mit Paypal oder ApplePay bezahlen kann. „Kein Fußbreit!“ – genau – möchte ich dazu rufen. Doch freue ich mich dabei nicht über Selbstverständlichkeiten? Die Eigentümer zentraler Internet-Ressourcen haben einigen aggressiven Rassisten und Faschisten Hausverbot erteilt. Bei aller Freude stellt sich ein bitterer Geschmack ein.

Ich denke dabei an Berlin. Fährt oder geht man über den Potsdamer Platz, Scharnier zwischen Ost und West, stellt sich der Eindruck ein, man bewege sich in einem Teil der Stadt. Tatsächlich gaukeln Straßen und Plätze dort nur vor, öffentlich zu sein. Sehr bald nach der Annexion wurde das gesamte Areal an die damalige Daimler-Benz AG verschleudert, heute gehören große Teile einem kanadischen „Investor“, darunter zehn Straßen. Das Wegerecht macht sie „fast-öffentlich“: der Eigentümer muss jedem erlauben, sie als Wege zu benutzen. Alles andere dort unterliegt dem Hausrecht. Verfassungsmäßige Grundrechte sind in der BRD lediglich Abwehrrechte gegen den Staat. Wenn also die Eigentümer das Verteilen von Flugblättern auf ihren Straßen untersagen, wird eine Klärung vor einem Gericht schwierig und das Ergebnis schwer vorhersehbar. Berlin ist dabei kein Einzelfall: Die Verwandlung öffentlichen Raumes in Privateigentum schreitet in allen größeren Städten voran und mit ihr die Einschränkung demokratischer Handlungsmöglichkeiten und bürgerlicher Freiheiten.

Daran musste ich denken, als ich las, dass Google, Facebook und Co. ihr Hausrecht ausübten, und nennen wir es mal: Nazis rauswarfen. Der Rausschmiss einiger übler Hetzer aus ihrer Infrastruktur mag bei manchen sogar aus einem antifaschistisch-demokratischen Impetus geschehen sein – ein oder zwei fallen mir ein, denen ich das zutraue. Und immerhin: Es zeigt, dass die USA noch nicht an die Rassisten und Faschisten verloren sind – sonst würden die Unternehmen solch einen Schritt nicht öffentlichkeitswirksam umsetzen. Aber die Wirkung der demokratischen Öffentlichkeit war in diesem Fall nur eine indirekte, über das Geschäft vermittelte. Wenn auch diese Wirkung nicht unterschätzt werden soll, erinnert es uns, dass das Internet als öffentlicher Raum verloren zu gehen droht.

Ich finde jederzeit Massen an hakenkreuzenden Seiten im Netz. Was machen Antifaschistinnen und Antifaschisten in der substantiellen Welt gegen einen Nazi-Laden? Friedlich Zettel vor dem Laden verteilen, sich vor den Laden stellen, blockieren – viele Möglichkeiten fallen ein. Schwieriger wäre ein solcher Laden am Potsdamer Platz zu handhaben – die Straßen stünden eventuell nicht zur Verfügung. Aber was ist im Internet zu machen? Verstehen wir das Internet als öffentlichen Raum oder nicken wir ab, dass wer-auch-immer eben das Hausrecht hat?

Die Verteidiger der herrschenden Unordnung denken mit und vor: Nach der Online-Demonstration „deportation.class“ mit einer Blockade der Lufthansa-Website im Jahre 2001, die formell als Demonstration angemeldet war, kam es zu Hausdurchsuchungen und Strafanzeigen, das Revisionsverfahren endete jedoch mit Freispruch. Aber schon 2012 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ zu einem ähnlichen Fall, dass „virtuelle Versammlungen etwa im Internet … ‚mangels Körperlichkeit‘ im verfassungsrechtlichen Sinne keine ‚Versammlungen“ seien. Damit wird demokratisches Agieren im Internet negiert, was bleibt, ist Privateigentum und sein Hausrecht. Es ist höchste Zeit, das Internet als öffentlichen Raum zurückzuholen.

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"Blockieren, löschen, rausschmeißen", UZ vom 25. August 2017



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