Baerbock gibt Marschrichtung aus, Lambrecht sagt weitere Waffenlieferungen zu

Bloß nicht verhandeln

Außenministerin Annalena Baerbock schließt Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine weiterhin aus. In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ behauptete sie, Russlands Angebot an Kiew „laute in etwa: ‚Wir rauben euer Land, unterwerfen eure Bürgerinnen und Bürger, und ihr dürft das dann unterschreiben‘.“ Das sei das Gegenteil von Frieden. Das sei Terror und Unfreiheit. Jeden Tag bekniee laut Baer­bock einer der „über 190 Staaten der Welt“ Putin „das Bomben einzustellen. Menschen Fluchtkorridore zu ermöglichen. Kinder nicht zu verschleppen.“ Für Realitäten wie die existierenden Fluchtkorridore oder die aus den Volksrepubliken des Donbass verschleppten Kinder bleibt bei Baerbocks Propaganda-Show keine Zeit. Auch nicht dafür, dass ihr beschworener Block der „über 190 Staaten der Welt“ so nicht existiert. Mehr als zwei Drittel der Staaten verweigern sich, am Sanktionsdiktat von USA, Deutschland und EU mitzuwirken.

In seiner Rede zu den Ergebnissen der Referenden am Freitag vergangener Woche rief Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine erneut auf, die Kampfhandlungen einzustellen und „zum Verhandlungstisch zurückzukehren“. Russland sei zu Verhandlungen bereit.

Eine diplomatische Lösung ist also weiterhin möglich, vom Westen aber nicht gewollt. Damit es auf keinen Fall dazu kommt, müssen weiter fleißig Waffen an die Ukraine geliefert werden. Die Zusagen dazu kamen diesmal von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Nach einem Besuch in Moldau und der Ankündigung einer Lieferung von 16 Radhaubitzen aus slowakischer Produktion reiste sie nach Odessa. Dort sicherte sie die rasche Lieferung einer ersten Einheit des Luftabwehrsystems Iris-T SLM, das vom Rüstungskonzern Diehl Defence hergestellt wird, zu. Die Bundesregierung will Kiew zunächst vier der jeweils 140 Millionen Euro teuren Systeme zur Verfügung stellen. Die Finanzierung von drei weiteren ist laut „dpa“ gesichert. Der verwendete Flugkörper soll sich laut Hersteller für eine 360-Grad-Bekämpfung von Flugzeugen, Hubschraubern, Drohnen, Marschflugkörpern und Kurzstreckenraketen eignen. In der „ARD“ betonte sie am Sonntag die Bedeutung der Luftverteidigung, weil die Bevölkerung durch die Angriffe „gequält“ werde. Ähnliches war von deutschen Regierungsmitgliedern über die seit 2014 unter Beschuss der ukrainischen Armee und ihrer Faschistenbataillone lebende Bevölkerung des Donbass nie zu hören. Den Tag in Odessa beschloss die Ministerin mit einem Fototermin an einem extra dafür postierten „Gepard“-Panzer im Getreidehafen von Odessa.

Am Montag berichtete der „Spiegel“ über eine weitere umfangreiche Militärhilfe für Kiew: Demnach haben sich die EU-Mitgliedsstaaten „auf Arbeitsebene“ darauf geeinigt, „so schnell wie möglich bis zu 15.000 ukrainische Soldaten außerhalb des Landes“ aus- und weiterzubilden. 3.000 Ukrainer sollen eine Spezialausbildung bekommen. In Polen soll diese „Ausbildungsmission“ ein Hauptquartier erhalten. Berlin hatte diese laut „Spiegel“ vor dem Sommer blockiert, „weil man befürchtete, die EU werde durch das direkte Training von ukrainischen Kampfeinheiten zur Kriegspartei“. Den Beschluss darüber soll der EU-Gipfel am 17. Oktober fassen.

Noch am Sonntag hatte Lambrecht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zurückgepfiffen, der getwittert hatte: „Wir sind im Krieg mit Putin.“ Lambrecht hielt in der „ARD“ dagegen: Das Prinzip, nicht Kriegspartei zu werden, „hat uns von Anfang an geleitet. Und daran hat sich auch nichts geändert.“ Waffenlieferungen, Soldatenausbildung, Wirtschaftskrieg: Egal, wovon sich Christine Lambrecht leiten lässt – Kriegspartei ist Deutschland schon lange.

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"Bloß nicht verhandeln", UZ vom 7. Oktober 2022



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