Wieder im Bundestag, wieder in die Regierung?

Das Comeback der FDP

Von Nina Hager

Die FDP ist im Aufwind. Konnte man vor Kurzem noch über das „gelbe Elend“ bzw. die „Möwenpick-Partei“ spotten: Sie wird 2017 wieder in den Bundestag einziehen. Nach dem Abschneiden bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein mit 11,5 und in NRW mit 12,6  Prozent scheint das sicher. Die FDP wird zudem – wieder einmal – als „Mehrheitsbeschafferin“ eine Rolle spielen, wenn über mögliche künftige Koalitionen im Bund wie die „Ampel“, die „Deutschland-Koalition“ oder „Jamaika“ spekuliert wird.

1948 wurde sie durch den Zusammenschluss der nach 1945 in den Westzonen und Westberlin entstandenen liberalen Parteien gegründet. Die Partei „der Leistungsträger“ (Kinkel 1994) bzw. „Besserverdiener“, die die Interessen von Teilen des Großkapitals, aber auch nichtmonopolistischer Kreise der Bourgeosie vertritt, war seit 1949 im Bundestag und immer wieder in Regierungen vertreten. Die FDP trat 1956 aus der Regierungskoalition unter Adenauer aus, gelangte jedoch zwischen 1961 und 1966 sowie von 1969 bis 1998 wieder nach „oben“: Mit der Union oder der SPD als „Seniorpartner“.

2009 zerbrach die damalige Große Koalition. CDU und CSU brauchten einen neuen Koalitionspartner. In diesem Jahr erreichte die FDP mit 14,8 Prozent bei den Bundestagswahlen das bislang beste Ergebnis ihrer Geschichte. Nach den Landtagswahlen im selben Jahr war sie zudem in allen Länderparlamenten – mit Ausnahme Hamburgs – vertreten und an acht Landesregierungen beteiligt.

Vier Jahre später flogen die Freien Demokraten mit Karacho aus dem Bundestag. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Ihr Absturz in die Bedeutungslosigkeit schien unvermeidlich, auch weil sie vorher aus einer Reihe von Landtagen ausscheiden musste. Von einer Existenzkrise war die Rede.

Sie „stolperte“ vor allem über ihre Klientelpolitik, denn sie sorgte u. a. gut für die Anliegen der Atom- und Pharmaindustrie sowie der Hotelbranche. Vor den Wahlen im Jahr 2009 hatte sie zudem Steuersenkungen gefordert, die der Mehrheit zugute kommen, die Reichen aber stärker belasten sollten. „Einfach, niedrig und gerecht“ sollte das Steuersystem werden, hatte Westerwelle, damals Parteivorsitzender, den Bürgerinnen und Bürgern versprochen.

Nichts wurde umgesetzt. Doch das stimmt nicht ganz: Für Hoteliers gab es Anfang 2010 mit der Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen tatsächlich ein Steuergeschenk. Und nicht nur in den bürgerlichen Medien war man sich einig, dass da wohl eine Spende über 1,1 Millionen Euro eine Rolle spielte, die die Substantia AG (August von Finck junior) zwischen Oktober 2008 und Oktober 2009 an die FDP überwiesen hatte. Die Familie Finck hatte nun aber eine Mehrheitsbeteiligung an der Mövenpick-Gruppe, die auch in Deutschland Hotels betrieb …

2010 gab es zudem eine Millionenstrafe für die FDP, die diese wegen verschleierter Parteispenden und falscher Rechenschaftsberichte, für die der frühere NRW-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann verantwortlich sein sollte, zahlen musste.

Und, nach dem Rücktritt Westerwelles von seinen Ämtern, winkte man unter neuer Führung dann auch noch die Rechts- und Vertragsbrüche des Kabinetts im Zuge der so genannten „Eurorettung“ durch. Hinzu kamen personelle Querelen. Zudem kostete der Aufstieg der neu gegründeten Lucke-AfD der FDP bei den Bundestagswahlen 2013 weitere Stimmen: Über 440 000 Wählerinnen und Wähler wanderten damals zur AfD ab (über zwei Millionen zur CDU, 530 000 zur SPD, 450 000 zu den Nichtwählern). Zudem blieben die Freien Demokraten, die sich immer gern auch „Bürgerrechtspartei“  nennen, bei der NSA-Affäre mehr als nur blass.

Bereits Ende September 2013 prognostizierte Alexander Grau im „Cicero“ der FDP einen triumphalen Wiederaufstieg – „2017 oder früher“. Allerdings hieß der „Hoffnungsträger“ für ihn nicht Christian Lindner, der derzeit die Partei fast allein „nach draußen“ vertritt, sondern der zweite wichtige FDP-Mann Wolfgang Kubicki, Schleswig-Holstein. Das bekannte andere „alte Personal“ spielt – bis auf Wolfgang Gerhardt, Hermann Otto Solms und Alexander Graf von Lambsdorff, die dem Präsidium der FDP angehören – in der Partei offenbar kaum noch eine Rolle. Einige sind in der Indus­trie bzw. in wirtschaftsnahen Stiftungen gelandet.

Lindner ist nicht nur FDP-Bundesvorsitzender, sondern auch Chef der FDP in NRW, Fraktionsführer im NRW-Landtag und Spitzenkandidat der Partei für die Bundestagswahl. Nachdem er 2011 den Posten als FDP-Generalsekretär aufgab, ging er nach NRW zurück. 2012 gewann er dort gegen den Bundestrend bei den Landtagswahlen 8,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Seit der Wahlniederlage 2013 arbeitet Lindner am Comeback der Partei, hat sie nun auf den „wichtigsten Wahlkampf ihrer Geschichte“ eingeschworen. Der Mitgliederschwund scheint gestoppt.

Die FDP pflegt jetzt im Wahlkampf ihr Image als „Bürgerrechtspartei“, will zudem Wissenschaft und Bildung voranbringen. Aber sie baut vor allem, so heißt es im Entwurf ihres Wahlprogramms, auf eine „liberale und soziale Marktwirtschaft“ im Interesse des Kapitals und auf den Freihandel (TTIP), will die Unternehmensfinanzierung erleichtern und sich besonders für „Gründer“ und den „Mittelstand“ einsetzen. Gefordert werden „ein unkomplizierter Staat“ mit Bürokratieabbau, Privatisierungen und Deregulierung im eigenen Land. Genau das Konzept, das die soziale Spaltung der Gesellschaft in den letzten Jahren weiter vertieft hat. Gefordert wird ein „Einwanderungsgesetz“, um „qualifizierte und fleißige Menschen aus anderen Teilen der Welt“ hierher zu holen. Und natürlich soll sich „Leistung wieder lohnen“. Dazu will man unter anderem „überflüssige Regelungen“ bei der Zeitarbeit ebenso wie „Bürokratie“ beim Mindestlohn abschaffen und soll es mehr „flexible Arbeitszeitmodelle“ geben.

Erneut tritt man übrigens mit Vorschlägen für Steuersenkungen an, will zwar Steuerentlastungen für kleinere und mittlere Einkommen, Steuererleichterungen aber vor allem für Unternehmen. Eine Vermögenssteuer lehnt die FDP ab. – Also fast alles wie gehabt.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Das Comeback der FDP", UZ vom 19. Mai 2017



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