Die SPD stellt einen „Zukunftsplan“ vor

Das riecht nach Groko

Von Nina Hager

Deutschland kann mehr!“ Wieder einmal gab sich Martin Schulz kämpferisch und erhielt viel Beifall von den anwesenden Genossinnen und Genossen seiner Partei. Am vergangenen Sonntag stellte der Kanzlerkandidat im Willi-Brandt-Haus in Berlin den 19-seitigen Zukunftsplan der SPD „Das moderne Deutschland. Zukunft. Gerechtigkeit. Europa“ vor. Knapp drei Wochen nach Verabschiedung des 116-seitigen Wahlprogramms. Der Zukunftsplan soll das Wahlprogramm ergänzen.

„Modern“, „Zukunft“, „Gerechtigkeit“? Das klingt doch schon mal gut und so richtig zeitgemäß. Die SPD war dabei natürlich schon immer, wie es in der Kurzfassung des Plans einleitend heißt, „eine Kraft des gesellschaftlichen Fortschritts. Es ist eine sozialdemokratische Kernkompetenz, den Wandel nach sozialen und rechtlichen Prinzipien zu gestalten.“ Sehr lang ist es her …

Bei soviel Verlogenheit fällt einigen vor Verblüffung dann vielleicht auch gar nicht auf, dass im Zukunftsplan von der „sozialen Gerechtigkeit“, die Schulz bislang so vehement gefordert hat, kaum die Rede ist: Von der Agenda 2010, Hartz IV oder davon, dass die soziale Spaltung im Land immer tiefer wird, natürlich schon gar nicht. Nur in der Präambel heißt es lapidar: „Wie wollen wir in Deutschland und Europa in Zukunft leben? Die Welt um uns herum verändert sich in atemberaubender Geschwindigkeit – wirtschaftlich, technologisch, sozial und politisch. Umso mehr brauchen wir eine Politik der klaren Prinzipien, der klaren Haltung und der klaren Inhalte, damit ein modernes Deutschland in einem geeinten Europa zukunftsfähig bleibt und gerechter wird. Soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Vernunft sind dabei keine Gegensätze – sie sind wechselseitige Bedingungen.“ Und es werden zudem dann einige Fakten genannt, die auf einige wenige der sozialen Probleme der Gesellschaft verweisen. Und gewiss gibt es dann auch Forderungen, die – umgesetzt – vielen Menschen im Hinblick auf einige ihrer Probleme auch Verbesserungen bringen könnten.

Was sich der Parteivorstand der SPD und das Wahlkampfteam dabei gedacht haben mögen? Ihre „Zukunftsvorstellungen“ unterscheiden sich ansonsten nur graduell von denen der CDU, CSU und FDP. Gut, in einigen weiteren Punkten schon. Zum Beispiel bei der Forderung nach mehr Sozialwohnungen – nachdem man selbst teilweise mit dafür gesorgt hatte, dass die Städte und Gemeinden ihr „Tafelsilber“ verscherbelt haben. Oder zum Beispiel von der Union, wenn man in der Außenpolitik doch mehr auf Abrüstung setzt und auf mehr Verhandlungen. Aber sich dabei zugleich immer wieder auf die „Bündnistreue“ bzw. Verlässlichkeit im Zusammenhang mit der NATO und der EU beruft. Da ist übrigens ganz wichtig, dass die Welt laut SPD „auch dank einer mutigen Friedenspolitik Europas – ein Stück weit friedlicher und gerechter geworden“ ist. „Dazu trägt eine faire globale Wirtschafts- und Handelspolitik bei, von der nicht mehr nur die reichen Industrieländer profitieren.“ Wie bitte?

Vielleicht aber unterscheidet man sich doch in der Flüchtlingspolitik oder wenn die SPD auf Offenheit und Vielfalt in der Gesellschaft setzt?

Ansonsten sind sowohl, was Zukunftsinvestitionen in Bildung, Wirtschaft, Verkehr, digitale Infrastruktur, Förderung auch des Mittelstandes betrifft, all die Forderungen im SPD-Zukunftsplan solche, die auch die Unionsparteien sowie die FDP teilweise bereits ähnlich formuliert haben. Und als beispielsweise Kanzlerin Merkel vom Zukunftsplan der SPD erfuhr und dabei unter anderem von deren ganz, ganz wichtigen, für alle drängenden Forderung, dass nach der Wahl im Land „rasch ein Deutschland-Portal für alle staatlichen Dienstleistungen aufgebaut werden“ müsse, war das für sie dann auch gar kein Problem. Natürlich, erklärte sie bei einer CDU-Veranstaltung im Ostseebad Zingst, es müsse ein zentrales Internet-Portal geben.

Unabhängig davon: Wie will die SPD das Ganze finanzieren? Neu einführen will Schulz eine Investitionsverpflichtung des Staates. Aber ansonsten? Es sind die alten Konzepte: Die Reichen bleiben ungeschoren, die Vermögenssteuer bleibt – wie auch der Vorsitzende der Partei „Die Linke“, Bernd Riexinger, hervorhob – für die SPD tabu. Riexinger nannte den Zukunftsplan der SPD mutlos und wenig ambitioniert. Die „FAZ“ wurde am Dienstag deutlicher: „Das riecht nach Groko-Fortsetzung“.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Das riecht nach Groko", UZ vom 21. Juli 2017



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