Oder spielen CDU und CSU dem Wähler nur Unterschiede vor?

Einigkeit gegen „Schulz-Effekt“

Von Nina Hager

Der „Schulz-Effekt“ hat die Unionsparteien aufgeschreckt. Egal, ob die an diesem Montag veröffentlichten Ergebnisse der Insa-Umfrage tatsächlich die reale Situation widerspiegeln oder sich der Aufschwung bald wieder umkehrt: Die SPD gibt sich derzeit einig und geschlossen. Sie hat einen neuen Kanzlerkandidaten, der bei SPD-Anhängern auf Zustimmung, sonst aber offenbar auch auf viel Interesse stößt.

Da wirkte es grotesk, wie sich die Spitzen der Unionsparteien vor und auf ihrem „Zukunftstreffen“ in München verhielten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte vor dem Unions-Gipfel in der Münchener CSU-Parteizentrale Optimismus verbreitet. „Bei uns wird es nächsten Montag Aufbruchstimmung geben“, verkündete er vor dem Treffen. Dabei hatte sich Angela Merkel erst nach Zögern zu einer erneuten Kandidatur bereit erklärt.

Von „Aufbruchstimmung“ war dann auch nichts zu merken. Am Sonntag betonten die beiden Generalsekretäre zunächst die Geschlossenheit der Union. Man habe zwar immer mal unterschiedliche Meinungen in verschiedenen Fragen, das aber habe beide Parteien nie daran gehindert, erfolgreich gemeinsam Politik zu machen, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber in einem Interview mit dpa. Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betonte: „Wir haben ein Ziel im Blick – und das ist der gemeinsame Erfolg.“ Es gehe „ums große Ganze“. Die Bundestagswahl im September werde eine Richtungsentscheidung: „Wir sind uns einig darüber, dass wir Deutschland in der Erfolgsspur halten wollen. Das Gegenmodell ist Rot-Rot-Grün – das würde Abstieg für Deutschland bedeuten.“ Später legte Scheuer nach: Es gehe um „Leitkultur“ (nur durch die Union zu garantieren) gegen „Multikulti“.

Auch nach dem Treffen sprach man gegenüber den Medien von großer „Einigkeit“. Jedenfalls: CDU- und CSU-Spitzen einigten sich, den Wahlkampf gemeinsam zu führen. Die in der CSU viel gescholtene, aber auch in Teilen der CDU umstrittene Angela Merkel ist die gemeinsame Spitzenkandidatin. Nachdem Merkel im November erklärt hatte, noch einmal anzutreten, war das nicht überraschend. Die CSU hat schließlich keinen anderen Kandidaten vorzuweisen.

Gemeinsamkeiten wurden auch in einem fünfseitigen Papier festgehalten. Sechs „Zukunftsbereiche“ werden benannt: Zusammenhalt der Gesellschaft, Umweltschutz, Digitalisierung, Bevölkerungsentwicklung und Migration sowie innere und äußere Sicherheit und Europa. Darin wimmelt es vor allem von Allgemeinplätzen.

„Der Schulterschluss kommt spät, er kommt zu spät, um glaubwürdig zu wirken. Er kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die SPD mit ihrem neuen Kanzlerkandidaten Martin Schulz Zuversicht und Schwung hat, an dem die Union in den Umfragen einbricht, an dem Merkel besiegbar scheint“, kommentierte die „Frankfurter Rundschau“. In einem Beitrag auf seinem Blog „sprengsatz.de“ erklärte Michael Spreng, einst „BamS“-Chefredakteur und 2002 Edmunds Stoibers Wahlkampfleiter: Das Treffen sei „eine der verlogensten politischen Veranstaltungen des Jahres“. „Der gemeinsame Machterhaltungstrieb lässt das Unvereinbare wieder vereinbar erscheinen. Da wächst für die Bundestagswahl wieder etwas zusammen, was eigentlich nicht mehr zusammengehört.“

In wichtigen politischen Fragen, vor allem in Hinblick auf die von der CSU immer wieder geforderte „Obergrenze“ für die Flüchtlingsaufnahme, ist man sich – auch offiziell – tatsächlich überhaupt nicht einig. Auch nicht im Hinblick auf die Mütterrente, bei Steuerfragen oder in der Außenpolitik. Doch die offensichtliche Zwietracht könnte auch kalkuliert sein. „Die Zeit“ meint jedenfalls: „Während die CSU den harten konservativen Vorstopper gibt, soll die CDU die liberale Mitte der Gesellschaft integrieren, darunter all jene, die Merkel gerade wegen ihrer Flüchtlingspolitik gut finden.“

Was spricht dafür? Die CDU hat auf ihrem vergangenen Parteitag einige Beschlüsse gefasst, die den Forderungen der CSU sehr nahekommen. Schon jetzt gibt es Stimmen in der CSU, die Seehofer vorwerfen, vor Merkel „eingeknickt“ zu sein. Es könnte also sein, dass die CSU, mit Rückhalt aus der CDU, in den kommenden Monaten ihren Druck verschärft.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Einigkeit gegen „Schulz-Effekt“", UZ vom 10. Februar 2017



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