Demokratie in Corona-Zeiten

Am Dienstag vereidigte Irmgard Bobrzik (DKP) als ältestes Ratsmitglied den Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) in seinem Amt. Zu diesem Anlass hielt unsere Genossin folgende Rede:

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Dank und Hochachtung gelten in diesen Zeiten allen, die in Krankenhäusern, Seniorenheimen, im öffentlichen Dienst, in Kindertagesstätten und Schulen sowie im Einzelhandel das öffentliche Leben aufrechterhalten.

Eine funktionierende kommunale Demokratie ist gerade in schwierigen Zeiten von besonderer Bedeutung. Öffentliche Versammlungen und Diskussionen sind bekanntlich zurzeit kaum möglich, obwohl wir gerade in Corona-Zeiten eine demokratische offene Streitkultur brauchen! Die Beratungen im Rat und seinen Ausschüssen müssen weiter stattfinden. Es darf nicht sein, dass nur der Krisenstab monatelang wesentliche Geschicke unserer Stadt bestimmt, denn das ist Aufgabe des von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Stadtrats. Deshalb müssen wir uns hier Gedanken machen, wie wir trotz Corona weiter mit den Bürgern in Kontakt bleiben. Glauben Sie mir: Mit einigen Entscheidungen im Zuge der Pandemie sind nicht alle Menschen einverstanden. Gerade deshalb bedarf es einer demokratischen, offenen Streitkultur in unserer Stadt.

Mit der Wahl in den Rat der Stadt haben Sie, meine Damen und Herren, als Ratsmitglieder eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen. Der Blick auf die Wahlbeteiligung zeigt allerdings, dass sich nur 48 Prozent der Wahlberechtigten in unserer Stadt an der Kommunalwahl beteiligt haben. Im Wahlbezirk Welheim betrug die Wahlbeteiligung gerade einmal 34,8 Prozent. Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich, besonders im Bottroper Süden, immer mehr Bürger aus Enttäuschung und anderen Gründen nicht mehr an Kommunalwahlen beteiligen.

Die Entwicklung dieser Stadtteile und die Verbesserung der Lebensqualität dieser Menschen, die Schaffung einer besseren Bildungsgerechtigkeit für die Schülerinnen und Schüler muss in den nächsten Jahren zu einer zentralen Aufgabe der Stadtpolitik werden. Arme Menschen in unserer Stadt dürfen nicht länger an den Rand der Gesellschaft gedrängt und vom gesellschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen werden.

Der Stadt drohen im nächsten Jahr und danach wegen der Corona-bedingten Einbrüche bei der Gewerbesteuer sowie erheblicher Mehraufwendungen eine neue Schuldenfalle. Notwendig ist ein Rettungsschirm für die Kommunen sowie endlich eine Übernahme der Altschulden. Es darf nicht sein, dass nach zehn Jahren von Kürzungen, Gebührenerhöhungen und Personalabbau durch den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ eine neue Welle von Gebührenerhöhungen und Kürzungen über die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt fegt. Die Bürger akzeptieren es zu Recht nicht, wenn auf der einen Seite Milliarden in die Wirtschaft gepumpt werden, aber die sogenannten kleinen Leute auf der Strecke bleiben. Diese Ungerechtigkeit dürfte ein Grund dafür sein, dass viel zu viele Bürger sich von der Kommunalpolitik abwenden!

Sie, Herr Tischler, werden es als Oberbürgermeister daher nicht leicht haben, auch wenn Sie bei der Wahl eine hohe Prozentzahl erreicht haben. Zusätzlich bleiben bei Ihnen mindestens noch die Umweltverschmutzung im Bottroper Süden, die Belebung der Innenstadt und die Verkehrsprobleme auf der Agenda. Das kriegen Sie alles nur in den Griff, wenn Sie die Bürger dieser Stadt in die Lösung der Probleme einbeziehen. In meiner langen Lebenszeit habe ich gemerkt: Die Bürger unserer Stadt sind bereit, sich gegen Unrecht zu wehren.

Wenn Sie es schaffen, Herr Tischler, sie mitzunehmen, werden die Bürger unserer Stadt auch positiv reagieren, wenn Sie als Oberbürgermeister mal gemeinsam mit ihnen auf die Straße gehen wollen gegen weitere Belastungen für unsere Stadt. Sie müssen ja nicht immer allein oder mit anderen Oberbürgermeistern beim Regierungspräsidenten, bei der Landes- und Bundesregierung vorsprechen. Mehrere Busse mit Menschen aus Bottrop auf dem Weg zum Protest nach Berlin oder Düsseldorf dürften dort Aufsehen erregen! Meine Unterstützung und die vieler Bürgerinnen und Bürger hätten Sie dann!



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