Gespräch mit Frank Laubenburg und Jasper Prigge über das Theaterstück „Mein Einsatzleiter“

„Die Düsseldorfer Polizei hat wirklich sehr humorvolle Texte für unser Stück geliefert“

Von Markus Bernhardt

Frank Laubenburg (auf dem Foto links) lebt in Düsseldorf und ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft „Queer“ der Linkspartei NRW. Die Idee für das Theaterstück „Mein Einsatzleiter“ geht auf seine Erfahrungen als Anmelder von antifaschistischen Protesten gegen die Aufmärsche von Rassisten und Neonazis in Düsseldorf zurück. Jasper Prigge (auf dem Foto rechts) ist Mitglied im Ensemble „Die Einsatzleiter“ und Rechtsanwalt in Essen.

UZ: Sie sind in den letzten Wochen und Monaten mehrfach mit dem Theaterstück „Mein Einsatzleiter“ in verschiedenen bundesdeutschen Städten aufgetreten. Was hat es mit diesem Stück auf sich?

Jasper Prigge: Wir waren das ganze Jahr 2015 mit rassistischen Protesten von „Dügida“ in Düsseldorf konfrontiert. Bei den Kooperationsgesprächen mit der Polizei und bei Absprachen mit den zuständigen Beamten vor Ort gab es nicht nur kuriose und absurde Dialoge. Die Polizei hat auch immer wieder rechtswidrige Forderungen gestellt und die Anmelderinnen und Anmelder der Gegenproteste mit Ermittlungsverfahren überzogen. Frank Laubenburg, einer der Anmelder, hat dann irgendwann angefangen, die absurdesten Dialoge auf facebook zu posten. Die Resonanz war total gut und irgendwann kam dann die Idee, das ganze zu einem Theaterstück zu verarbeiten.

Frank Laubenburg: Da hat wirklich die Schwarmintelligenz im Netz gewirkt. Die Resonanz war gut, also habe ich die weiteren Dialoge auch dokumentiert. Dann gab es von einem Leser den Vorschlag, daraus eine szenische Lesung zu machen. Es meldeten sich Leute, die mitmachen wollten. Der Raum für die dann geplante Lesung war kurz nach der Ankündigung völlig überbucht und wir haben dann als Reaktion darauf gesagt: okay, dann machen wir das in der Halle des Düsseldorfer Kulturzentrums ZAKK, aber dafür ist eine Lesung zu wenig. Also eher ein Theaterstück als eine Lesung. Die Halle war dann mit 350 Leuten auch völlig überfüllt und die Stimmung war super. Dann gab es halt Anfragen aus anderen Städten.Geplant war das alles nicht, das war eine sehr dynamische, interaktive und kollektive Entwicklung.

UZ: Hat die Düsseldorfer Polizei in irgendeiner Weise auf den großen Erfolg der bisherigen Aufführungen reagiert?

Frank Laubenburg: Sie haben auf die ersten Veröffentlichungen reagiert und mir eine Strafanzeige angedroht. Ich hätte Gespräche mit meinem Handy aufgezeichnet und dann abgeschrieben. Das war auch ein Ansporn, das ganze so richtig weiterzumachen.

Jasper Prigge: Damit ist natürlich vor allem die Echtheit der Dialoge polizeilich bestätigt worden, damit können wir also gut werben. Und aktuell hat der Düsseldorfer Polizeipräsident uns eine Antwort auf einen bei facebook veröffentlichten satirischen Brief an ihn geschickt, den er selbst von uns noch gar nicht erhalten hatte. Da wird also gelesen, was wir tun. Herzliche Grüße, Herr Wesseler!

UZ: Worum ging es in dem Schreiben an den Düsseldorfer Polizeipräsidenten Norbert Wesseler?

Jasper Prigge: Es gibt eine Internetseite der Düsseldorfer Polizei zum Versammlungsrecht, illustriert war sie mit dem Buchcover des Strafgesetzbuches. Wir haben ihn gefragt, wie er darauf kommt, dass das Anmelden einer Versammlung etwas mit einer Straftat zu tun hat. Zumal auf der Seite noch steht, die Polizei sei „bürgernah, professionell, rechtsstaatlich.“

Frank Laubenburg: Wesseler hat sich dann für den „sachdienlichen Hinweis“ bedankt und die Seite ändern lassen. Nun steht da „Protest ja – Gewalt nein.“ Wir finden es ja gut, wenn er etwas gegen Polizeigewalt auf Kundgebungen tun will. Wenn er das denn so gemeint hat. Wir werden ihm aber noch schreiben, dass da so ein Bildchen im Internet nichts bringt. Wir brauchen endlich eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.

UZ: Zurück zu Ihrem Theaterstück. Wie erklären Sie sich den Erfolg? Hätten Sie damit gerechnet?

Frank Laubenburg: Nein, gar nicht. Aber viele, die in unser Stück kommen, erkennen dann Situationen wieder, die sie selbst auch mit der Polizei erlebt haben. Und sie fragen sich gleichzeitig bei manchen Szenen: wer hat denn da jetzt Recht, die Demonstranten oder die Polizei? Das klärt dann unser Rechtsanwalt Jasper Prigge auf der Bühne immer auf, von daher ist ein Teil des Stücks auch schlichtweg politische Bildungsarbeit. Und die Düsseldorfer Polizei hat, man muss sie ja mal loben, wirklich sehr humorvolle Texte für unser Stück geliefert!

UZ: Am 4. Juni wollen Sie in Dortmund Auszüge des Stücks bei den Protesten gegen den von den Nazis ausgerufenen „Tag der deutschen Zukunft“ öffentlich aufführen. Warum haben Sie sich für diesen Auftritt entschieden?

Jasper Prigge: Weil wir natürlich gegen Nazis auf die Straße gehen. In Dortmund ist am 4. Juni einer der größten bundesweiten Naziaufmärsche geplant. Und wir gehen davon aus, dass es viele Stellen gibt, an denen Gruppen dagegen demonstrieren werden und Lust haben, sich dabei auch ein wenig unterhalten zu lassen, gerade dann, wenn es mal wieder nicht weiter geht.

Frank Laubenburg: Es wird vor Ort ganz viele Situationen geben, die wir in unserem Stück spielen. Wenn die Polizei uns irgendwo nicht durchlässt, wenn Blockaden angeblich rechtswidrig sein sollen oder Personalien von Ordnern verlangt werden, stehen wir wir vielleicht daneben und spielen genau diese Szenen. Die Naziszene in Dortmund lebt ja seit langem von der Ignoranz der Polizei und der gleichzeitigen Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands.

UZ: Und wie geht die Dortmunder Polizei mit Ihrer Ankündigung um?

Jasper Prigge: Das unbefugte Tragen von Uniformen in der Öffentlichkeit ist ja eine Straftat. Also haben wir den Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange gefragt: „Können Sie uns befugen?“ Unsere Einsatzleiter tragen ja so alte moosgrüne-senfgelbe Uniformen und unsere Polizistin hat ein Phantasiekostüm und einen kleinen Kinderhelm mit „Polizei“-Aufschrift dabei.

Frank Laubenburg: Herr Lange hat unsere Anfrage dann zwar formal, aber nicht inhaltlich beantwortet. Wir wissen also nicht, ob unsere Auftritte als Straftat gewertet werden.

UZ: Wie erklären Sie sich dieses unkooperative Verhalten des Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange?

Frank Laubenburg: Die Polizei mag es wohl nicht so, wenn man sich über die Polizei lustig macht. Wir haben ihm dann noch einmal geschrieben: als vernünftiger Polizeipräsident müsste er die Route, die er den Nazis für den 4. Juni bestätigt hat, ja jetzt schon bekanntgeben, um Proteste in Sicht- und Rufweite zu ermöglichen. Wir haben ihn gefragt, ob er denn ein vernünftiger Polizeipräsident ist und das auch tun wird. Eine Antwort steht noch aus.

Jasper Prigge: Lange hat allerdings eine für einen Dortmunder Polizeipräsidenten verbal schon sehr deutliche Pressemitteilung gegen den Naziaufmarsch herausgegeben. Ein richtiger Schritt, für Dortmunder Verhältnisse ein ungewohnt deutlicher, aber dennoch völlig unzureichend. Man kann nicht gemeinsam mit den Nazis eine Route für deren Aufmarsch aushecken, und der Öffentlichkeit diese Absprachen verheimlichen.

UZ: Auch die Besucherinnen und Besucher des diesjährigen UZ-Pressefestes können sich auf Ihren Auftritt freuen. Wann treten Sie genau auf?

Jasper Prigge: Am Freitagabend spielen wir in einer kleinen Besetzung um 19 Uhr in der „Perle vom Borsigplatz“ völlig neue Szenen zu Ereignissen in Essen und Dortmund, und wir lesen wohl auch unseren Briefwechsel mit Herrn Lange vor. „Warum machen Sie denn hier so eine schlechte Stimmung“, nennen wir den Abend, das war der Vorwurf eines Essener Polizeibeamten während eines Kooperationsgesprächs. Und am Samstag spielen wir dann in voller Besetzung um 16.30 Uhr im SDAJ-Zelt 90 Minuten lang unser ganzes Stück „Mein Einsatzleiter – ein Nachmittag mit der Polizei“.

Frank Laubenburg: Und am Sonntag wird es nochmal praktisch. Da gibt es um 13.30 Uhr ein Blockadetraining im „Roten Zelt“, Jasper Prigge macht dazu einen juristischen Teil. Wir machen ja dieses ganze Theater nicht zum Spaß.

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"„Die Düsseldorfer Polizei hat wirklich sehr humorvolle Texte für unser Stück geliefert“", UZ vom 3. Juni 2016



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