An den mehr als 100 Aktionen der Friedensbewegung in Deutschland anlässlich der Ostermärsche 2025 haben mehr Menschen als im Vorjahr teilgenommen. Die Gewerkschaften waren wenig sichtbar. Auf mehreren großen Ostermärschen, etwa in Berlin, Stuttgart und Freiburg, kritisierten Gewerkschafter das Schweigen der Gewerkschaftsführungen zum Kriegskurs der Bundesregierung und begründeten, weshalb ein Schulterschluss zwischen Gewerkschafts- und Friedensbewegung so wichtig ist. Wir dokumentieren Redebeiträge von Ulrike Eifler, Mark Ellmann und Martin Gross dazu. Wir haben die Reden gekürzt und zur besseren Lesbarkeit überarbeitet. Alle drei Reden sowie weitere Ostermarsch-Redebeiträge stellen wir in voller Länge im UZ-Blog zur Verfügung.
Nichts, was in unserem Interesse ist
Die „Zeitenwende“, die auf eine vollständige militaristische Durchdringung unserer Gesellschaft abzielt, ist vorbei. Die Bundesregierung ist inzwischen zu einer Politik offener Kriegsvorbereitungen übergegangen. Sie bereitet den Krieg gegen Russland vor. Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, spricht vom „womöglich letzten Friedenssommer“.
Während sich Rheinmetall, KraussMaffei Wegmann und Diehl Defense an Militarisierung und Aufrüstung dumm und dämlich verdienen, zeigt ein Blick in den Koalitionsvertrag von Union und SPD, dass diese Kriegsvorbereitungen vor allem zu unseren Lasten gehen werden. Ein Panzer kostet 27 Millionen Euro, der Bau einer Grundschule 25 Millionen. Wer den Weg frei macht für unbegrenzte Aufrüstung, wird sich das Geld dafür bei der Bildung, der Renten- oder der Pflegeversicherung holen. Und wenn wir genau hinsehen, dann sehen wir das schon jetzt: Denn während Rüstungsausgaben in unbegrenztem Umfang möglich sein sollen, wird alles andere unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.
Der Koalitionsvertrag hält nichts bereit, was in unserem Interesse wäre: keine Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro und auch kein Versprechen auf ein Bundestariftreuegesetz. Der Koalitionsvertrag sagt klar: Vergaben zur Deckung der Bedarfe der Bundeswehr sind von der Tariftreue ausgenommen. Ich finde, steigende Einkommensverluste sind eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie der Militärlogik unterordnen sollte. Lassen wir uns also keinen Sand in die Augen streuen.
Gerade die aktuelle Tarifrunde im Öffentlichen Dienst hat gezeigt, dass in einer gesellschaftlichen Atmosphäre aus Deindustrialisierung, Inflation und Sozialabbau nicht die Forderungen der Gewerkschaften Rückenwind bekommen, sondern die Forderungen der Arbeitgeber nach Arbeitszeitflexibilisierung, Lohnverzicht und Abweichung von Tarifverträgen. Hieß es nicht noch vor einigen Jahren, dass die Kolleginnen und Kollegen insbesondere in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen systemrelevant sind? Haben wir sie nicht jeden Abend auf unseren Balkonen als Helden beklatscht? Diese Zeiten sind vorbei. Weil alle Ausgaben, die im Zusammenhang mit Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen stehen, jetzt problemlos finanziert werden sollen, müssen diejenigen, die dieses Land am Laufen halten, verzichten.
Wenn Boris Pistorius sagt, ein guter Abschluss im Öffentlichen Dienst verhindere eine gute Ausstattung der Bundeswehr, dann ist der Platz der Friedensbewegung an der Seite der Beschäftigten! Denn jeder Euro, der in den Geldbeuteln der Kolleginnen und Kollegen landet, fehlt für die wahnsinnigen Rüstungsprojekte der Bundesregierung. Wenn die Verhandlungsführerin der Arbeitgeberseite, Karin Welge, sagt: „Die Tarifforderungen von ver.di“ – also die Forderungen der Pflegekräfte, der Grundschullehrerinnen und der Kita-Beschäftigten – „passen nicht in diese Zeit“, dann kann unsere Antwort nicht der Verzicht sein, sondern dann kämpfen wir für eine Veränderung dieser Zeiten!
Doch Verzicht und Einschränkungen erfahren nicht nur die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst, sondern wir alle, die wir auf eine funktionierende Daseinsvorsorge angewiesen sind. Denn wir erleben aktuell einen militärischen Umbau der Daseinsvorsorge, der zu erheblichen Einschränkungen für die breite Bevölkerung führen wird.
Während wir mit stillgelegten Strecken, verspäteten Zügen und zu wenig Bahnpersonal konfrontiert sind, verpflichtet die Bundesregierung die Deutsche Bahn auf der Grundlage des Verkehrssicherstellungsgesetzes dazu, eine bestimmte Verkehrsleistung für die Bundeswehr bereitzuhalten. Dass ihnen der Gedanke, die Sicherstellung der Verkehrsbeförderung für die breite Bevölkerung per Gesetz festzuschreiben und anzuordnen, gar nicht in den Sinn zu kommen scheint, spricht Bände.
Besonders gut lässt sich die Einschränkung der Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen erkennen, wo die Verzahnung von ziviler Gesundheitsversorgung und Militärmedizin dazu führt, dass die Militärmedizin auf die vorhandenen Ressourcen der zivilen Gesundheitsversorgung zugreifen soll. Auf die jahrzehntelange Ökonomisierung des Gesundheitswesens folgt nun also seine Militarisierung: Die knappen Ressourcen sollen der breiten Bevölkerung schleichend entzogen und dem Militärsektor zur Verfügung gestellt werden. Das geht auch aus dem „Grünbuch“ hervor, das die Bundesregierung Anfang des Jahres veröffentlichte. Dort wird im Falle eines Krieges mit 1.000 verletzten Soldaten pro Tag gerechnet, die auch in zivilen Krankenhäusern versorgt werden sollten. Die medizinische Versorgung von Lungenentzündungen, Herzinfarkten oder Krebserkrankungen dürfte weiter darunter leiden. Nicht ohne Grund also wird im Grünbuch darauf hingewiesen, dass man die Bevölkerung darauf vorbereiten müsse, dass sie Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung hinzunehmen habe.
Vorbei ist die Zeit, in der Abrüstungsverträge die Welt sicherer machen sollten. An ihre Stelle sind Aufrüstungsverpflichtungen in Form von NATO-Zielen getreten. Vorbei ist die Zeit, in der die Politik von „Wandel durch Handel“ die verhärteten Beziehungen zwischen Staaten aufgebrochen hat. An ihre Stelle ist eine Politik getreten, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen rigoros abbricht, Städtepartnerschaften beendet und russische Künstler mit Auftrittsverboten belegt. Dabei wissen wir aus der Zeit des Kalten Kriegs: Wer den Krieg verhindern will, hält Gesprächskanäle offen. Nur wer den Krieg vorbereitet, bricht alle Kontakte und Beziehungen ab.
Von Mark Twain stammt der Satz: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Lasst uns eingreifen in die Geschichte, in ihr Reimschema, in ihr Versmaß. Lasst uns die Geschichte so aus dem Takt bringen, dass uns niemals wieder jemand befiehlt, in den Krieg zu ziehen, in Schützengräben zu erfrieren und auf Schlachtfeldern zu verbluten!
Ulrike Eifler ist Gewerkschaftssekretärin der IG Metall in Würzburg und Mitglied des Parteivorstands von „Die Linke“. Hier geht es zu ihrer Rede in voller Länge
Militarisierung und reaktionärer Staatsumbau gehen Hand in Hand
Anstatt auf die Umwandlung von zivilen Produktionsstätten in Rüstungsbetriebe zu hoffen, wollen wir uns gegen explodierende Kosten und drohende Werksschließungen engagieren. Anstatt von deutscher „Verteidigungsfähigkeit“ zu sprechen, wie es die DGB-Führung zu den diesjährigen Ostermärschen macht, sollten wir über Abrüstung, Diplomatie und Völkerfreundschaft sprechen.
Kriegswirtschaft ist keine Option für uns. Denn es ist kein Zufall, dass die NATO-Führungsmacht USA mit ihrem militärisch-industriellen Komplex seit jeher das Völkerrecht und die territoriale Integrität einzelner Staaten in Frage stellt und bricht. Dahinter steckt: Die Ware Rüstung realisiert keinen Wert, wenn sie nicht – zur Zerstörung gedacht – den Besitzer wechselt und eingesetzt wird. Es ist diese Logik der Rüstung und Militarisierung, die keine Umkehr und keinen Frieden kennt.
Dass die Militarisierung deswegen mit einem reaktionären Umbau unserer gesamten Gesellschaft einhergeht, lehren uns die Geschichte und die Gegenwart.
Vor allem im Sozial- und Bildungsbereich sind die Auswirkungen spürbar. Nicht nur in Bayern nehmen die Berufsverbotsfälle wieder zu. Doch noch bleibt der Aufschrei aus, ebenso wie der Aufschrei bei der Annahme eines der sogenannten „Artikel-Gesetze“ im Rahmen der „Zeitenwende“ ausblieb. Das ist ein Gesetz von mehreren, das im Februar im Rahmen des aktuellen reaktionär-militaristischen Umbaus verabschiedet wurde. Es dient der Aufhebung der Zuverdienstgrenze von Soldaten, die sich nach dem Ende ihrer Laufbahn noch etwas in der Rüstungsindustrie dazuverdienen, indem sie dort Soldaten aus Kriegsländern zeigen, wie sie deutsche Rüstungsgüter bedienen. Diese Gesetzesänderung zeigt den Zustand des politischen Diskurses – denn keine der im aktuellen Bundestag vertretenen Fraktionen hat dagegen gestimmt. Deswegen braucht es außerparlamentarischen Druck der Friedensbewegung!
Nicht nur in Bayern, auch in Berlin und im Bund greifen Wissenschaftsministerinnen über das Maß ihrer Kompetenz und Zuständigkeit in die Freiheit von Lehre und Wissenschaft ein. Vor allem, wenn es gegen Angehörige der Hochschule geht, die nicht schweigen können angesichts der deutschen Unterstützung für den Kriegskurs der israelischen Regierung, die den Gaza-Streifen unbewohnbar macht für Palästinenser durch Zerstörung und Besatzung.
Dieser Rechtsruck in der Bildungs- und Hochschulpolitik unterscheidet sich nicht von dem, was Trump aktuell in den USA macht. Dass der kein Friedensengel ist, zeigt ein Blick nach Gaza: Statt Völkerrecht weitere Siedlungen und der Beschuss von UN-Friedenstruppen. Die GEW setzt sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, fordert einen dauerhaften Waffenstillstand und humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza.
Mark Ellmann koordiniert die Aktivitäten der GEW Bayern gegen das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr und ist UZ-Autor. Hier geht es zu seiner Rede in voller Länge
Klaren Kurs halten
Zur DNA der Gewerkschaften und auch zu meiner persönlichen DNA gehört ein pazifistischer Kompass. Wenn am Himmel keine Wolke zu sehen ist, der Sonnenstand klar erkennbar ist, dann kann der Kompass auch mal in der Ecke liegen. Im Jahr 2025 verdüstern dunkle Wolken den ganzen Himmel, von West bis Ost, von Nord bis Süd. Die Orientierung wird immer schwieriger.
In so einer dunklen Zeit ist das Dümmste, was man machen kann, seinen Kompass zu entsorgen. Jetzt müssen wir ihn rausholen. Wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Unser Ziel ist eine Welt ohne Waffen und ohne Kriege.
Der Bundestag und der Bundesrat haben es jetzt beschlossen: Eine Flatrate für die deutsche Aufrüstung. Whatever it takes.
Ich habe drei Kinder und inzwischen sechs Enkel. Mein größter Wunsch ist, dass sie ihr Leben auf einem lebenswerten Planeten führen dürfen. Für sie wünsche ich mir seit Jahren, dass ein alter Politiker zum Kampf gegen die Klimakatastrophe sagt: Whatever it takes.
Wie es mit unserem Land weitergeht, wenn alles Soziale für Aufrüstung unter die Räder kommt, das lässt sich sicher vorhersagen. Wenn der soziale Zusammenhalt verloren geht, dann marschieren die Feinde der Demokratie durch.
„Nie wieder Faschismus“ und „Nie wieder Krieg“ gehören zusammen!
In der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre hieß es „Schwerter zu Pflugscharen“. Das Bibelzitat stand für die Hoffnung einer Konversion der Rüstungsindustrie zu ziviler Produktion.
Und es war ein Leitmotiv der Gründungsjahre der Grünen. Im Jahr 2025 fordert unser Ministerpräsident, der oberste Grüne im Land, Pflugscharen zu Schwertern zu schmieden. Ohne rot zu werden, wird die Rüstungsindustrie als Role-Model für den Erhalt der industriellen Produktion in Baden-Württemberg gepuscht. Panzer statt Autos: Das ist keine populistische, sondern eine erschreckend realistische Schlussfolgerung.
Das Gebot der Stunde ist nicht massive Aufrüstung, sondern Dialog. Dazu werden wir auch mit Feinden reden müssen. Das ist nicht leicht, das tut weh, auch mir.
Unser Kurs ist auch bei stürmischer See der richtige.
Martin Gross ist Landesbezirksleiter von ver.di in Baden-Württemberg. Hier geht es zu seiner Rede in voller Länge