US-Vorwahlkampf läuft nicht so ganz nach Plan

Die Macht und die Hiwis

Von Klaus Wagener

Einen „Bürgerkrieg bei den Republikanern“ glaubt FAZ-Kommentator Klaus-Dieter Frankenberger ausmachen zu können. Der erklärte Hitler des US-Vorwahlkampfes heißt für die deutsche Qualitätspresse Donald Trump, der erklärte Darling Hillary Clinton. Wenn die Republikaner den unaufhaltsamen Trump in ihrem „Bürgerkrieg“ nicht aufzuhalten wissen, wird es die Lichtgestalt Hillary, in irgendeiner „Schlacht bei Armageddon“ oder so ähnlich, wohl tun müssen. Soweit die Inszenierung.

Die USA, der „Westen“, die Welt befinden sich in einer Phase tektonischer Verschiebungen. Die große Krise, mit einem 12 Billionen Dollar schweren Gelddruckprogramm zeitweilig überkleistert, ist zurück. Der Krieg ist vor allem im strategisch entscheidenden Nahen Osten in sein permanentes Stadium

Sanders wirbt für die Rückkehr zum Kapitalismus

wie er vor der neoliberalen Gegenreform war.

eingetreten – ohne dass die schwächelnde „Einzige Weltmacht“ ihn (für sich) erfolgreich beenden könnte. 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die ideologisch-psychologisch-emotionale Vorherrschaft des Westens wird durch fundamentalistische Strömungen zunehmend in Frage gestellt. Die ökonomisch-materielle Basis der US-Dominanz bröckelt: Von 50 Prozent der globalen Wirtschaftskraft (1945) sind der US-Ökonomie aktuell noch 20 Prozent geblieben. Die Weltwährung Dollar steht in Frage. Der reale politökonomische und geostrategische Hintergrund des aktuellen US-Wahlkampfes entbehrt daher durchaus nicht einer soliden Dramatik. Auch wenn das im inszenierten Wahlkampfklamauk so gut wie keine Rolle spielt.

Nach dem omnipotenzphantastischen „irrationalen Überschwang“ der Bush-Jahre folgte die friedensnobelpreisgekrönte Fortsetzung der medial auf unsichtbar wie unvermeidbar getrimmten Interventions-, Geheim-, Drohnen- und Wirtschaftskriege der Obama-Jahre, die außenpolitisch aggressive Sicherung der US-Vormachtsinteressen und die innere austeritätpolitische Verarmungspolitik und Reichenmast. So wie es aussieht setzten Big Money, Big Oil, Big Business und Media Monopoly auf ein aggressives Weiter-so. Dieses Weiter-so steht in diesen Wahlen aus Sicht des US-Establishments, um einen alten Begriff zu benutzen, nicht zur Disposition. Gesucht wird der geeignetste Kommunikator, der beste Verkäufer dieses Programms. Und da dieser in der vom wahnhaft-religiösen Tea-Party-Fundamentalismus durchzogenen Republikanerriege nicht zu finden ist, wird nun Hillary Clinton vom Großen Geld medial auf den Schild gehoben. Die desaströse Zerrüttung der Republikanischen Partei zeigt sich darin, dass sich Donald Trump in zentralen Bereichen noch eher positiv von den Ted Cruz & Co. abhebt. Cruz’ Scheitern dürfte zwar nicht zu dem von Frankenberg heraufbeschworenen „Bürgerkrieg“ führen, dafür aber so manchen Republikaner letztlich zur Wahl von Clinton als kleinerem Übel motivieren.

Der Einzige, der in dieser Schönheitskonkurrenz in gewissem Maße eine inhaltliche Alternative zum verordneten Weiter-so zu bieten hat, ist Senator Bernhard Sanders. Der 74-jährige Sanders vertritt den nordöstlich gelegenen Bundesstaat Vermont im US-Senat. Im Gegensatz zu Clinton, die ebenso auf dem Frauenticket zu reisen versucht, wie Obama auf dem linken Farbigenticket das Weiße Haus erreichte, bemüht sich Sanders um die Popularisierung eines zwar kapitalistischen, aber in gewisser Weise sozialdemokratisch-etatistischen Reformprogramms. Wobei sozialdemokratisch hier nicht so etwas wie SPD meint. Diese hat sich ja bekanntlich mit Gerhard Schröder vom Sozialdemokratismus verabschiedete und ist zur neoliberal-bellizistischen Partei mutiert.

Sanders vertritt, ähnlich Jeremy Corbyn bei der britischen Labour Party, eine Gegenbewegung zur Schröder/Blair-„Modernisierung“. Er wirbt für eine Rückkehr zu einer Art Kapitalismus vor der neoliberalen Gegenreform und vor dem unilateral-bellizistischen, globalen Dominanzstreben. Er war außenpolitisch gegen die US-Invasion in Irak und ist gegen die aktuell ausgeweitete Kriegspolitik, innenpolitisch gegen den Patriot Act, für die Integration von elf Millionen illegalen Einwanderern und für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen, wirtschaftspolitisch gegen die Freihandelsabkommen und für die aktive staatliche Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine mit höheren Steuern finanzierte Sanierung der verfallenden Infrastruktur und eine nationale Industriepolitik. Finanzpolitisch ist er für eine Entflechtung der „Too-big-to-fail“-Banken, eine Besteuerung der ausufernden Börsenspekulation und eine steuerpolitische Bekämpfung der barbarischen Einkommens- und Vermögensungleichheit. Sozialpolitisch tritt Sanders für eine Verbesserung des halbherzigen „Obamacare“ ein, einer Krankenversicherung für alle, bildungspolitisch für eine Abschaffung der zum Teil horrenden Studiengebühren.

Mit diesem Projekt einer sozialdemokratischen Alternative zum neoliberal-bellizistischen Mainstream macht man sich bei den Murdoch, Bloomberg, Turner, Saban, Hearst & Co. natürlich nicht sonderlich beliebt. Anders als Corbyn repräsentiert Sanders keine parteiorganisatorisch strukturierte Bewegung. Sein Reformismus ist, mehr noch als der europäische, ein Reformismus von oben. Was seine Chancen nicht gerade rosig erscheinen lässt, selbst wenn er es ins Weiße Haus schaffen sollte. Dass sich der kaum bekannte Außenseiter trotz allem bislang so bemerkenswert gegen die favorisierte Clinton schlägt, zeigt ein tiefes Bedürfnis nach Veränderung einer katastrophal antihumanen Politik, die selbst im reichsten Land der Welt 46 Millionen Menschen von Lebensmittelmarken abhängig macht. Sanders steht für die junge, linke Hoffnung. Das ist nicht wenig in einer Lage, in der selbst ein Donald Trump noch als Heilsbringer erscheint.

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"Die Macht und die Hiwis", UZ vom 11. März 2016



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