Auslieferungsverbot für Julian Assange aufgehoben. Whistleblower erlitt Schlaganfall

Dunkle Aussichten

Die USA sind ihrem Ziel, den Journalisten und WikiLeaks-Gründer Julian Assange dauerhaft in einem Kerker verschwinden zu lassen, ein Stück näher gekommen. Am vergangenen Freitag hat der Londoner High Court der US-Berufung gegen die im Januar abgelehnte Auslieferung Assanges an die USA stattgegeben. Das Gericht verwies die Sache zurück an den Magistrates’ Court, unter der Auflage, den Fall ebenfalls der britischen Innenministerin Priti Patel für eine endgültige Entscheidung vorzulegen.

Die Richter Ian Burnett und Timothy Holroyde folgten in der Urteilsbegründung der Zusicherung der USA, Assange werde im Falle einer Auslieferung nicht in Isolationshaft gehalten und angemessen behandelt. Unter dieser Zusicherung war das Revisionsverfahren überhaupt erst zugelassen worden. Die Richter sahen nun „keinen Grund, warum dieses Gericht die Zusicherung nicht als das akzeptieren sollte, was sie aussagt. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die USA die Zusicherungen nicht in gutem Glauben gegeben haben.“ Damit ignorierten Burnett und Holroyde sowohl die schon in der Zusicherung der USA enthaltenen Einschränkungen, nach denen Assange in ein Gefängnis der ADX-Klasse für Hochrisikotäter oder in Isolationshaft gesteckt werden kann, wenn er „nach Abgabe dieser Zusage in Zukunft eine Handlung begeht“, die in den Augen der USA Hochsicherheitsverwahrung und Isolationsfolter rechtfertigen.

Zudem ignorierten die Richter das kürzlich aufgedeckte Komplott der CIA gegen Assange. Dieses hatte beinhaltet, Assange zu entführen oder zu ermorden, als er sich in der Londoner Botschaft Ecuadors aufhielt (siehe UZ vom 5. 12.). Neben den Ausnahmeregelungen und den Vorhaben der CIA macht auch die Tatsache, dass im ursprünglichen Auslieferungsverfahren gegen Assange von „Zusicherungen“ seitens der USA keine Rede war, eben diese unglaubwürdig.

Im Januar hatte die zuständige Richterin Vanessa Baraitser die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers mit Verweis darauf untersagt, dass die drohende Isolationshaft und die Unterbringung im Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence in Colorado das Suizidrisiko Assanges dramatisch erhöhen werde. Bei der Bemühung um eine Revision des Verfahrens, in dem der Anwalt der USA, James Lewis, die „Zusicherungen“ vorlegte, behauptete er auch, die bisherigen Entscheidungen der britischen Justiz seien aufgrund falscher Annahmen getroffen worden. Die Selbstmordgefährdung Julian Assanges sei durch seine Vaterschaft, die dem Gericht verschwiegen worden sei, deutlich minimiert. Zudem warf Lewis Assange vor, ein Simulant zu sein.

Am vergangenen Wochenende wandte sich Assanges Verlobte Stella Moris, die auch Mitglied seines Verteidigungsteams ist, an die britische Presse und machte öffentlich, dass der Journalist Ende Oktober einen leichten Schlaganfall erlitten habe. Sie machte dafür den erheblichen Stress des Kampfes gegen die Auslieferung verantwortlich. Assange habe unter anderem Anzeichen neurologischer Schäden davongetragen. Laut „Mail on Sunday“ gab Moris an, dass sie den leichten Schlaganfall nur für den Vorboten eines größeren halte. Das käme den USA, die an Assange wegen der Aufdeckung und Veröffentlichung von US-Kriegsverbrechen ein Exempel statuieren wollen, gerade recht.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Dunkle Aussichten", UZ vom 17. Dezember 2021



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