Eine Regierung der Industriellenvereinigung

Christoph Hentschel im Gespräch mit Robert Krotzer, KPÖ Steiermark

Robert Krotzer (KPÖ), Stadtrat für Gesundheit und Pflege im Grazer Gemeinderat

Robert Krotzer (KPÖ), Stadtrat für Gesundheit und Pflege im Grazer Gemeinderat

( Pachernegg/graz.at)

UZ: Die Nationalratswahl in Österreich ergab eine Mehrheit für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Wie schätzt du die Nationalratswahl ein?

Robert Krotzer: Die Nationalratswahl ist der Sieg für die Industriellenvereinigung. Die beiden Parteien, ÖVP und FPÖ, die wirtschaftspolitisch das Programm der Industriellenvereinigung vertreten, haben gemeinsam einen deutlichen Sieg und eine deutliche Mehrheit errungen. Das Ganze natürlich nicht aufgrund ihres wirtschaftspolitischen Programms, sondern aufgrund einer ganzen Reihe von Scheindebatten und entsprechender Demagogie und rassistischer Verhetzung. Es ist gelungen, ein Klima herzustellen, in dem alles, was mit Integration, Migration und Flucht zu tun hat, verantwortlich gemacht wird für alle sozialen Probleme, die es in Österreich gibt. So muss man das Ergebnis einschätzen mit allen Konsequenzen, die daraus drohen.

Die ersten Folgen erleben wir im Moment bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallerbranche, wo es zu massiven Angriffen seitens der Industriellen kommt, die mit vielen Gepflogenheiten der letzten Jahrzehnte in Österreich brechen wollen. Beispielsweise verlangen sie, dass nicht mehr der österreichische Inflationsindex herangezogen wird, sondern der europäische Inflationsindex, was natürlich an sich wenig Sinn macht, weil die Leute ja in Österreich einkaufen und nicht in „Europa“. Aber da sieht man einfach ganz deutlich, wo die Reise hingeht, dass sich diese Kreise massiv bestärkt fühlen von dieser Wahl.

UZ: Ein Rechtsruck geht durch Europa. Mit Kurz hat er auch Österreich erreicht. Was ist die Strategie der KPÖ Steiermark, dem etwas entgegenzusetzen?

Robert Krotzer: Der Rechtsruck ist in Österreich, das muss man dazusagen, leider nicht mit Kurz angekommen, sondern wir haben mit der FPÖ seit 30 Jahren eine Partei, die sich meist um die 20 Prozent bewegt, die eine rechtsextreme Politik und Politikinhalte vertritt und dementsprechend natürlich auch seit 30 Jahren das gesellschaftliche Klima vergiftet. Aber natürlich wird es Antworten brauchen auf diese jetzt noch einmal Stärkung des rechten Blocks. Dieser erklärt sich unter anderem, dass die ÖVP in vielen Teilen die Inhalte der FPÖ ganz einfach kopiert hat.

Was unsere Aufgabe als Kommunisten und Kommunistinnen sein wird, ist, die Regierung zu entzaubern. Insbesondere auch für die Menschen, die mit der Wahl die schwarze oder die blaue Partei gewählt haben. Denen müssen wir klar machen, dass diese Parteien definitiv nicht in ihrem Interesse handeln, sondern im Gegenteil, dass es eine Regierung der Konzerne und der Reichen sein wird. Diese Regierung wird deren Interessen durchboxen.

UZ: Wie sah der Wahlkampf der KPÖ in Graz aus?

Robert Krotzer: Unser Wahlkampf in Graz und in der Steiermark hat sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Wohnen mit dem Slogan „Wohnen darf nicht arm machen“ auseinandergesetzt. Das ist etwas, was Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen in Österreich erleben, wenn man sich gerade in den Ballungszentren die gesteigerten Mietpreise anschaut und was auch in Graz seit vielen Jahren oder Jahrzehnten unser Arbeitsschwerpunkt ist.

Ein weiteres Thema, das wir auch bespielt haben, war „Runter mit den Politikergehältern“. Hier haben wir versucht, die Politikerprivilegien anzugreifen. Hier ist ein gewisser Schlüssel zu sehen, den Leuten klarzumachen, diejenigen, die sich als sogenannte Vertreter des kleinen Mannes aufspielen, nicht die Vertreter des kleinen Mannes sind, sondern ihre eigenen und die Interessen ihrer Finanziers vertreten.

Ansonsten haben wir uns auf Klassisches konzentriert, einerseits mit dem Thema Arbeit und andererseits mit dem Thema Frieden. Verbunden mit dem Thema Frieden haben wir die Rolle der EU und ihrer Institutionen der EU thematisiert.

UZ: Die bundesweite KPÖ hat als KPÖ Plus mit der ehemaligen Grünen Jugend kandidiert. Die KPÖ Steiermark hat die Kandidatur unterstützt. Nach ermutigenden Prognosen von fast drei Prozent hat die KPÖ mit 0,7 Prozent deutlich zu den letzten Wahlen verloren. Wie erklärt ihr euch das?

Robert Krotzer: Insbesondere hatten wir einen Trend einer sehr starken, auch medialen, Zuspitzung gehabt zwischen Schwarz-Blau einerseits und andererseits der Sozialdemokratie, die getrommelt hat, man muss sie wählen, um Schwarz-Blau zu verhindern. Wir haben das auch in Gesprächen am Infostand immer wieder erlebt. Insgesamt haben wir einen Zuspruch zur KPÖ und zur Wahlkampagne der KPÖ in Graz erlebt, allerdings auch, dass manche Menschen gemeint haben, sie finden super, was wir in Graz und was wir in der Steiermark machen, aber sie müssen bei dieser Wahl so wählen, dass sie vermeintlich Schwarz-Blau verhindern. Das muss man einmal so zur Kenntnis nehmen und aus dem auch Strategien ableiten.

Im Vergleich mit den Gemeinderatswahlen in Graz oder auch den Landtagswahlen in der Steiermark, haben wir den großen Unterschied und die große Erschwernis, dass bei den Nationalratswahlen das Argument der vermeintlich verlorenen Stimmen für viele Menschen nach wie vor eines ist, das zieht. Auch wenn wir sehr oft betonen, dass die Stimme eigentlich dann verloren ist, wenn mit der eigenen Stimme eine Partei gestärkt wird, die erst recht gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung agiert, was bei einer sozialdemokratischen Partei die letzten Jahre und Jahrzehnte immer wieder zu sehen war.

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"Eine Regierung der Industriellenvereinigung", UZ vom 17. November 2017



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