Zum VII. Weltkongress der Komintern in Moskau • Von Herbert Mies

Entscheidende Weichenstellungen im Kampf gegen Krieg und Faschismus

Von Herbert Mies

Allein in Europa entstanden in den 20er und vor allem den 30er Jahren autoritäre bzw. präfaschistische Regimes in Ländern wie Ungarn (Horthy), Portugal (Salazar), Rumänien (Königsdiktatur unter Carol II., faschistische Diktatur unter Antonescu), Serbien (Königsdiktatur ab 1929), Lettland (Ulmanis), Estland (Päts), Litauen (Smetona), Albanien (Zogu), Bulgarien, sowie in Polen und Österreich.

Der Entwurf des Leitantrags für den 21.Parteitag der DKP ist kein neues Programm, aber ein bedeutsames Dokument der strategischen und taktischen Orientierung ist es allemal. Es bestimmt die Aufgaben der Partei in der gegebenen und bevorstehenden politischen Etappe. Im Antrag lesen wir: „… offen faschistische Parteien gewinnen an Zustimmung … Rechtskräfte bis hin zu Faschisten sind in vielen Ländern Europas auf dem Vormarsch. … unser Ziel ist es, zu diesen Fragen Bewegungen zu unterstützen bzw. zu initiieren … Wir beteiligen uns an den Aktionen der Friedensbewegung und wirken für deren Verbreiterung. Auf dieser Basis streben wir breitestmögliche Bündnisse an. Gleichzeitig vertreten wir inner- und außerhalb dieser Bündnisse unsere spezifisch kommunistischen Positionen … In unserer Bündnispolitik kommt der Aktionseinheit der Arbeiterklasse eine besondere Bedeutung zu. Über weltanschauliche Grenzen hinweg wirken wir für gemeinsame Aktionen und Kämpfe der verschiedensten Spektren der Arbeiterbewegung. Wir kämpfen um das Vermächtnis des antifaschistischen Widerstands und verteidigen das antifaschistische Erbe der DDR.“1

Das vielleicht größte antifaschistische Vermächtnis hat uns der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) hinterlassen. Ihn konnte man damals nicht hoch genug einschätzen – und man kann dies auch heute nicht.

Dieses Vermächtnis – so scheint es mir – zeigt sich im Antragsentwurf am deutlichsten in den Abschnitten „Die Kriegsgefahr wächst“, „Unser antimilitaristischer Kampf“. Sicherlich wird auch hier am Text noch zu arbeiten sein. Aber hier spürt man Kontinuität, Tradition und die klare Definition der Hauptaufgaben unserer Tage.

Der VII. Weltkongress, dessen 80. Jahrestag wir demnächst begehen, fand vom 25. Juli bis zum 20. August 1935 in Moskau statt – sieben Jahre nach dem VI. Kongress.

In diesen Jahren hatte sich viel verändert, Einschätzungen und Orientierungen mussten korrigiert werden. Die Arbeiterklasse in Deutschland hatte 1933 eine entscheidende Niederlage erlitten. Aber nicht nur dort herrschten Terror und Mord. Immer deutlicher wurde zudem, dass die Bedrohung der Sowjetunion zunahm und die Gefahr des Ausbruchs eines neuen Krieges wuchs.

Am VII. Weltkongress nahmen 513 Delegierte aus 65 kommunistischen Parteien teil. Sie vertraten 3,1 Millionen Kommunistinnen und Kommunisten. Die überwiegende Mehrheit der der Komintern angeschlossenen 76 Parteien – insgesamt 50 – musste damals unter Bedingungen der Illegalität arbeiten. Tausende Kommunistinnen und Kommunisten saßen in Gefängnissen oder wie in Deutschland in Konzen­trationslagern. Viele waren ermordet worden. Manche der Parteien konnten unter diesen Bedingungen nicht einmal Delegierte zum Kongress entsenden.2

Auf der Tagesordnung des VII. Weltkongresses standen der Bericht über die Tätigkeit des EKKI (des Exekutivkomitees der Komintern). Dieses Referat hielt Wilhelm Pieck. Georgi Dimitroff sprach zum Kampf um die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, der Genosse Ercoli (Palmiro Togliatti) über die Vorbereitung des imperialistischen Krieges und die Aufgaben der KI. Dimitri S. Manuilski berichtete über die Ergebnisse des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion. Mit diesen Referaten hatten die in der damaligen internationalen kommunistischen Bewegung wohl prominentesten und kompetentesten Vertreter das Wort.

Der neuen Lage entsprechend schätzte der Kongress den Klassencharakter faschistischer Entwicklungen ein und beschloss eine neue Strategie und Taktik im Kampf gegen den Faschismus sowie für antifaschistisch-demokratische gesellschaftliche Umgestaltungen. Der Kongress zog die Schlussfolgerungen aus der veränderten internationalen Lage und dem veränderten Kräfteverhältnis in der Welt. Er gab über seine Zeit hinaus Anregungen für die Suche nach neuen Strategien und Taktiken unter neuen historischen Bedingungen und unterschiedlichen Entwicklungen in einzelnen Ländern.

Georgi Dimitroff charakterisierte in seinem Referat den Faschismus an der Macht als „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Zugleich hob der Referent aber hervor, dass der Faschismus und die faschistische Diktatur „in den verschiedenen Ländern verschiedene Formen“ annehmen können, „je nach den historischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, je nach den nationalen Besonderheiten und der internationalen Stellung des betreffenden Landes.“ Damit warnte er vor jeglichem Schematismus bei der Anwendung der Faschismusdefinition, die eine wissenschaftliche Analyse der jeweils gegebenen historischen Bedingungen nicht ersetzen könnte.3

Der Kongress entwickelte die Politik der Volksfront4 gegen Faschismus und Krieg aus der Feststellung Dimitroffs, dass die werktätigen Massen in einer Reihe kapitalistischer Länder „konkret für den heutigen Tag“ nicht zu wählen hätten „zwischen proletarischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie, sondern zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus“5. Togliatti machte in seinem Schlusswort zur Diskussion über seine Rede unter anderem darauf aufmerksam, dass der Hass gegen den Krieg auch unter den Massen des Kleinbürgertums, in Kreisen der Intelligenz und in anderen Klassen und Schichten zugenommen habe. Das böte die Möglichkeit, so hob Togliatti hervor, Schichten in den Kampf um den Frieden einzubeziehen, die bisher politischen Kämpfen ferngestanden hatten.6

Dimitroff verwies die kommunistischen Parteien auf die Mannigfaltigkeit der Formen, in denen die Einheitsfront verwirklicht werden kann und warnte vor Schematismus bei der Entwicklung des gemeinsamen Kampfes. Er erklärte den Kampf für den Frieden zur zentralen Aufgabe der kommunistischen Parteien und betonte den engen Zusammenhang zwischen dem Kampf für Demokratie und Sozialismus und dem Kampf für den Frieden.

Der Kongress orientierte darauf, dass alle Kräfte, die den Krieg nicht wollen, in einer weltweiten Koalition, in einer Weltfront des Friedens zusammenwirken sollten. „Von dem Grade der Verwirklichung und der Wirkung dieser Weltfront wird es abhängen“, so betonte Dimitroff in seiner Schlussansprache, „ob die faschistischen und imperialistischen Kriegstreiber in nächster Zukunft einen neuen imperialistischen Kriegsbrand entfachen können, oder ob ihre Verbrecherhände durch das Beil der machtvollen Antikriegsfront abgehackt werden.“7

Georgi Dimitroff unterzog in seiner Eingangsrede aber auch die sektiererischen und dogmatischen Tendenzen in den Reihen der Kommunistischen Parteien einer prinzipiellen Kritik. Er verwies darauf, dass „sektiererisches Verhalten, Dogmatismus und Schematismus“ den Weg zur Gewinnung von neuen Kräften erschweren. Eine kommunistische Partei muss sie daher kompromisslos bekämpfen und sich von ihnen trennen. Es sei notwendig die Prinzipien der kommunistischen Aktionseinheits- und Bündnispolitik schöpferisch anzuwenden und sich nicht durch sektiererisches Verhalten, Dogmatismus und Schematismus den Weg zur Aktionseinheit und zu Bündnissen zu erschweren.

Mit den Beschlüssen des Kongresses wurden dogmatische und sektiererische Auffassungen zur Einschätzung der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie und letztlich auch die These vom „Sozialfaschismus“ korrigiert. Fehler und ernsthafte Mängel in den Reihen der Kommunisten wurden kritisch analysiert – so die verspätete Orientierung auf die Einheitsfronttaktik, die Geringschätzung der Arbeit in den von den bürgerlichen Parteien geschaffenen Massenorganisationen, das Unverständnis für die Notwendigkeit der Verteidigung der Reste der bürgerlichen Demokratie.

So lehrte der Kongress einmal mehr, dass jede neue politische Orientierung von Auseinandersetzungen mit rechtsopportunistischen, linkssektiererischen und dogmatischen Auffassungen einhergeht. Das erlebten wir in den früheren Jahren und auch gegenwärtig in der DKP.

Die KPD stand wie dann die DKP in der Tradition des VII. Weltkongresses. Auf einer internationalen Festveranstaltung anlässlich des 90. Geburtstages von Georgi Dimitroff im Juni 1972 in Sofia erklärte der langjährige Stellvertreter des KPD-Vorsitzenden Max Reimann und Mitglied des Sekretariats des Parteivorstandes Willi Mohn vor den anwesenden Vertretern der kommunistischen Parteien aus aller Welt: „Die Orientierung der DKP entspricht der politischen Linie des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale und einer Jahrzehnte langen Erfahrung der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung“.

Am 28. und 29. Juni 1975 fand in Bremen eine theoretische Konferenz des Parteivorstandes der DKP statt. Dort hatte ich als Vorsitzender der Partei die ehrenvolle Aufgabe, das Referat „Der VII. Weltkongress der KI und die Politik der DKP“ zu halten. Darin ging es um politische und auch theoretische Aussagen zum Charakter der Epoche, zum Wesen des Faschismus, zum antifaschistischen Kampf, zur Aktionseinheit, dem demokratischem Bündnis, zur antimonopolistischen Demokratie sowie zum proletarischen Internationalismus und der nationalen Eigenverantwortung. „Wir Kommunisten standen und stehen im Kampf gegen den Faschismus und Krieg, für Demokratie und Sozialismus immer selbstlos in der ersten Reihe. Wir Kommunisten sind im Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten für Frieden, Demokratie und Sozialismus stets um die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und um das Bündnis aller demokratischen Kräfte unseres Landes bemüht. Das galt für die Jahre 1935,1945, das gilt für heute.“8

Die Verwirklichung dieser Aufgabe hat sich die DKP zu eigen gemacht. Sie beeinflusste entscheidend die Programme der DKP.

Wer sich mit dem Inhalt, den Referaten und den Resolutionen des Kongresses bekannt macht, wird für die derzeitigen Auseinandersetzungen in unserer Partei mit reformistischen und linkssektiererischen Auffassungen so manche Hilfestellung finden. Er wird verstehen, dass wir es nicht nur mit Erscheinungen des Rechts- und Linksopportunismus zu tun haben, sondern auch mit Symptomen des Schematismus.

Anmerkungen:

In meinem Beitrag zum 80.Jahrestag des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale (Komintern) stütze ich mich auf umfangreiche Literatur. So auch auf die, die der Verlag Marxistische Blätter schon 1975 herausgab: Die Komintern wurde 1919 gegründet. Nach dem Zusammenbruch der opportunistischen I. Internationalen war sie notwendig geworden Die Arbeiterbewegung brauchte eine neue, eine Kommunistische Internationale. Diese wurde 1943 nachdem sich die kommunistische Bewegung weltweit in einer Vielzahl von eigenständigen kommunistischen Parteien entwickelt hatten.

Siehe zur Geschichte: Komintern und revolutionäre Partei, 1919–1943. Dietz Verlag Berlin 1986 und

VII. Kongress der Kommunistischen Internationale, Referate und Resolutionen, Verlag Marxistische Blätter GmBH, Frankfurt am Main 1975.

Fußnoten:

1 Entschließungsentwurf zum 21. Parteitag der DKP

2 Horst Schumacher, Die Kommunistische Internationale (1919–1943), Dietz Verlag Berlin, Schriftenreihe Geschichte, Berlin1989 (2., erweiterte Auflage), S. 154

3 Georgi Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgabe der Kommunistischen Internationale im Kampfe für die Einheit der Arbeiterklasse gegen Faschismus, in: VII. Kongress der Kommunistischen Internationale. Referate und Resolutionen, Berlin 1975, S. 93/94

4 Volksfront – Kampfbündnis verschiedener Klassen und Schichten zur Durchsetzung gemeinsamer antinazistischer Forderungen und bürgerlichen Freiheiten und für die Schaffung einer antifaschistisch-demokratische Regierung.

5 Georgi Dimitroff, Für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, Schlusswort auf dem VII. Weltkongress, in: VII. Kongress der Kommunistischen Internationale. Referate und Resolutionen, Berlin 1975, S. 111

6 Schlusswort Ercolis (Palmiro Togliatti) nach der Diskussion zu seinem Bericht auf dem VII. Weltkongress, In: Komintern und Friedenskampf, Auswahl von Dokumenten u. Materialien 1917–1939, Berlin 1985, S. 196

7 Zitiert nach Schumacher, S. 180/181

8 DKP-Pressedienst Nr. 69 vom 28. Juni 1975

Allein in Europa entstanden in den 20er und vor allem den 30er Jahren autoritäre bzw. präfaschistische Regimes in Ländern wie Ungarn (Horthy), Portugal (Salazar), Rumänien (Königsdiktatur unter Carol II., faschistische Diktatur unter Antonescu), Serbien (Königsdiktatur ab 1929), Lettland (Ulmanis), Estland (Päts), Litauen (Smetona), Albanien (Zogu), Bulgarien, sowie in Polen und Österreich.

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"Entscheidende Weichenstellungen im Kampf gegen Krieg und Faschismus", UZ vom 3. Juli 2015



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