Frauenstreik legt Glasgow lahm

Es braucht eine Armee

Von Melina Deymann

8 000 Pflegerinnen, Reinigerinnen, Schulköchinnen und andere weibliche Angestellte der Stadt sind in der vergangenen Woche im schottischen Glasgow in einen 48-Stunden-Streik getreten, um Nachzahlungen des Lohns zu fordern, der ihnen seit Jahrzehnten auf Grund ihres Geschlechts verweigert wird.

2006 hatte der Rat der Stadt, damals unter Führung der sozialdemokratischen Labour-Partei, beschlossen, ungleiche Bezahlung anzugehen und die schlechtere Bezahlung von Frauen zu beenden. Dieser Ratsbeschluss wurde bis heute nicht umgesetzt, obwohl Labour bis 2016 eine Mehrheit im Stadtrat hatte. Die Verhandlungen zwischen Stadt und Gewerkschaft über Nachzahlung des entgangenen Lohns sind bisher im Sand verlaufen, obwohl die Bürgermeister der Stadt einer Nachzahlung des Teils des Lohns, der den Frauen seit 2006 nicht ausgezahlt wurde, nach einem zehn Jahre langen Rechtsstreit zugestimmt hatten.

Rhea Wolfson, Sekretärin von GMB, einer der größten Gewerkschaften in Britannien, sagte auf der Streikkundgebung der Kolleginnen: „Es braucht eine Armee, um gegen die üblen Arbeitgeber mit ihren sechsstelligen Gehältern zu kämpfen, aber wir haben eine Armee! Bei diesem Kampf geht es nicht um das Geschlecht, sondern um die Klasse. Es ist der Kampf der Frauen der Arbeiterklasse.“

Männliche Arbeiter der Entsorgungsbetriebe, Straßenreiniger und Parkplatzwächter weigerten sich, an den von den Frauen errichteten Streikposten vorbei die Betriebe zu betreten und an die Arbeit zu gehen, wie der britische „Morning Star“ berichtete. Obwohl die Vorgesetzten mit der Polizei, Lohnentzug und Klagen wegen illegalen Streiks drohten, setzten die Kollegen ihre Solidarität auch am zweiten Tag des Streiks fort. In einem Brief an die GMB bezog sich der Stadtrat auf Thatchers Anti-Gewerkschafts-Gesetzgebung und kündigte gerichtliche Schritte an, wenn die Gewerkschaft ihre Mitglieder nicht umgehend zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert.

Laut Gewerkschaftserklärungen sind die Frauen bereit zu weiteren Streiks – ein Einlenken von Stadtrat und Verwaltung ist nicht zu erwarten, die nachzuzahlenden Löhne belaufen sich inzwischen auf fast 750 Millionen Pfund (ca. 848 Millionen Euro). Einige der Frauen haben jährlich bis zu 4 000 Pfund (ca. 4 530 Euro) weniger verdient als männliche Beschäftigte in der gleichen Position.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Es braucht eine Armee", UZ vom 2. November 2018



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