Warnstreik der Eisenbahner mit massiven Auswirkungen

Gegen die Tariftrickser

Zum zweiten Mal rief die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Beschäftigten im Bahnsektor zu einem Warnstreik. Dieser war letzten Freitag zwar nur von 3 Uhr in der Frühe bis 11 Uhr am Vormittag angesetzt, zeigte aber massive Auswirkungen im Bahnverkehr und auch bei einigen Busunternehmen. Die EVG zog am gleichen Tag eine positive Bilanz: Insgesamt haben sich 50 Unternehmen am Warnstreik beteiligt, weit über 25.000 Kolleginnen und Kollegen waren bundesweit im Ausstand. An über 1.900 Standorten wurden Aktionen durchgeführt und auf zahlreichen Kundgebungen wurde der Wille nach 650 Euro mehr im Monat unterstrichen.

Der Ton der Bahnunternehmen gegenüber der EVG verschärfte sich im Vorwege. Aufgrund der in dieser Woche anstehenden Verhandlungen warf der Personalvorstand der Deutschen Bahn AG (DB) der EVG Unverhältnismäßigkeit vor. Die Unternehmensgruppe Transdev – einer der größeren Anbieter unter den kleinen Eisenbahnverkehrsunternehmen – versuchte den Warnstreik per einstweiliger Verfügung verbieten zu lassen und scheiterte damit vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt. Das Unternehmen RAB (ZugBus-Alb-Bodensee) trat aus dem „Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister“ (AGVMoVe) aus und versucht damit, einem neuen Vertrag zu entgehen – ein Fall von Tarifflucht also.

Nach dem Verhandlungsmarathon mit allen Unternehmen begründete die EVG die Notwendigkeit des erneuten Warnstreiks damit, dass dreieinhalb Wochen nach dem ersten Warnstreik immer noch keine Bewegung auf Seiten der Bahnunternehmen zu verzeichnen war. Die Bahnunternehmen kopierten lediglich den Schlichterspruch im öffentlichen Dienst, der nach Ansicht der EVG auf den Bahnbereich nicht anwendbar ist (UZ vom 21. April). Daher ist der erneute Streik ein Warnschuss und eine Aufforderung, ernstgemeinte Angebote vorzulegen.

Die EVG startet nun in die nächste Verhandlungsrunde mit allen 50 Bahnunternehmen. Dabei macht sie noch einmal darauf aufmerksam, dass sie angesichts der anhaltenden Preissteigerungen auf einer Tarifvertragslaufzeit von 12 Monaten beharrt. Insbesondere brauche es klarere Eingangsvoraussetzungen für die unteren Lohngruppen. Hier versuche die DB AG – ein Unternehmen in staatlichem Eigentum – mit Rechentricks die Erhöhung der Mindestlöhne zu umgehen. Durch einen Sockelbetrag will die EVG dafür sorgen, dass die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen überproportional vom Tarifergebnis profitieren. Die Bezahlung ist laut Gewerkschaftsführung eine der Ursachen, weshalb die Bahnen Schwierigkeiten haben, ihren Personalbedarf zu decken.

Mit dem zweiten Warnstreik haben die Beschäftigten unterstrichen, dass sie hinter der Vorgehensweise der EVG stehen. Auch wenn der Personalvorstand der DB AG verhandeln möchte, bis „weißer Rauch“ aufsteigt, der Tarifkampf ist noch nicht beendet.

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"Gegen die Tariftrickser", UZ vom 28. April 2023



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