Waffenlieferungen an Saudi-Arabien nicht gefährdet

Geschäfte gehen weiter

Von Manfred Ziegler

Am 2. Oktober 2018 suchte der saudische Journalist Jamal Ahmad Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul auf, um Papiere für seine bevorstehende Heirat zu besorgen. Seine Verlobte wartete außerhalb des Konsulats auf seine Rückkehr – vergeblich.

Khashoggi gehörte dem saudischen Establishment an. Seine Ermordung im saudischen Konsulat und die Versuche, das Verbrechen zu verbergen, waren diesmal Anlass für eine Medienkampagne – ganz anders als der saudische Krieg gegen den Jemen. Angriffe der Luftwaffe auf Schulbusse und Hochzeitsgesellschaften, tausende Tote und Millionen Vertriebene, Cholera und die Zerstörung der Infrastruktur des Jemen konnten dem medialen Image des Kronprinzen und Kriegsministers Mohammed bin Salman als Reformer nichts anhaben.

„Saudi-Arabiens Kronprinz ist brutal – gibt sich aber liberal“, schrieb der Spiegel im April. Die Brutalität erfahren die Menschen im Jemen in den saudischen Angriffen Tag für Tag. Die Liberalität beschränkte sich auf die Fahrerlaubnis für Frauen und die Eröffnung einiger Kinos. Dennoch galt „MBS“ als Shooting-Star im Nahen Osten.

Im November 2017 wurden mehr als 200 saudische Prinzen, Politiker und Geschäftsleute unter Korruptionsverdacht festgenommen. Die Vorwürfe bestanden wohl zu Recht – das Ziel der Aktion war für „MBS“ aber, Rivalen auszuschalten und die Macht in seinen Händen zu konzentrieren.

Khashoggi war – wie er selbst sagte – keinesfalls ein Dissident und Gegner der Monarchie. Er begrüßte die wirtschaftlichen Reformen und den liberaleren Anstrich, den Mohammed bin Salman dem Land zu geben scheint. Aber in dem komplizierten Geflecht von wirtschaftlichen und politischen Beziehungen innerhalb der Region, von saudischem Wahhabismus und türkischen Moslembrüdern hatte er sich falsch positioniert.

Nicht nur seine Sympathie für die Moslembrüder, sondern auch seine Ablehnung des saudischen Krieges gegen den Jemen und der Strafaktion gegen Katar wegen zu enger Zusammenarbeit mit dem Iran wurden ihm zum Verhängnis.

In den Konflikten um die Moslembrüder und Katar agieren Saudi-Arabien und die Türkei auf unterschiedlichen Seiten. Auch in Syrien sind ihre Interessen durchaus verschieden. Aber beide Staaten sind an einer wirtschaftlichen Kooperation interessiert, wie die gegenseitigen Staatsbesuche der letzten Jahre und die Gründung eines Rates für strategische Zusammenarbeit verdeutlicht haben.

Die Türkei braucht eine enge Zusammenarbeit mit dem Golf-Kooperationsrat – und das geht nicht ohne Saudi-Arabien. Doch die Türkei kann die Ermordung Khashoggis nutzen, um die Rolle von „MBS“ zu beschränken.

Die aktuelle Medienkampagne lässt das Image von „MBS“ zunächst einmal verblassen, selbst der Krieg gegen den Jemen findet Eingang in die Berichterstattung. Doch Besserung ist in Sicht.

Der saudische Außenminister erinnert daran, worum es wirklich geht. Nicht um Khashoggi, sondern um den Iran. „Saudi-Arabien ist das Licht, während der Iran die Finsternis des religiösen Sektierertums in der Region verbreitet“, erklärte Außenminister Adel al-Jubeir auf einer Sicherheitskonferenz in Bahrain.

Und das Geschäft geht weiter. Bei einer Investorenkonferenz in Saudi-Arabien wurde Mohammed bin Salman mit Applaus begrüßt. Sein Land hat Geschäfte in Höhe von mehr als 50 Milliarden Dollar abgeschlossen. Weitere werden folgen.

Tausende Tote im Krieg gegen den Jemen haben die Geschäfte Saudi-Arabiens mit den Waffenhändlern beflügelt. Die Trauer einer Witwe wird sie nicht auf Dauer zum Absturz bringen.

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"Geschäfte gehen weiter", UZ vom 2. November 2018



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