Die EU sperrt Flüchtlinge in chaotisch organisierte Internierungslager

Griechenland wird zur Falle

Von Uwe Koopmann

PAME sammelt für Flüchtlinge

Tagtäglich werden in Griechenland von Gewerkschaften, gesellschaftlichen Organisationen wie dem Frauenverband, dem Friedensrat oder der Studierendenfront, von den Volkskomitees in den Stadtteilen, dem Aufruf der PAME folgend, Sachspenden für Flüchtlinge gesammelt.

Auch in vielen Städten Deutschlands sammelten Aktionskomitees in den letzten Wochen Hilfsgüter für Flüchtlinge, die Anfang April nach Thessaloniki transportiert werden. Die Gewerkschaftsfront PAME wird die Spenden an die verschiedenen Flüchtlingscamps Nordgriechenlands verteilen. Gesammelt wurden vor allem Sanitärartikel, Rettungsdecken, Artikel für Babys und Kleinkinder, Vitamine und Fertigessen. Die Resonanz in den deutschen Städten war beachtlich – nicht zuletzt durch die Unterstützung von Gewerkschaften und der DKP.

Selbst das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) will nicht mehr. Es ist nicht länger bereit, in den Aufnahmelagern („Hotspots“) bei der Registrierung mitzuwirken, da diese Lager inzwischen zu „Internierungslagern“ verkommen seien. Sprecherin Melissa Fleming erklärte: „Den Menschen wird nicht erlaubt, die Lager zu verlassen, sie sind eingesperrt.“ Es bleibe für das UNHCR nur die medizinische Hilfe. Das UNHCR wird sich nicht an der Abschiebung „illegaler“ Flüchtlinge in die Türkei beteiligen, die nach dem EU-Ratsbeschluss am 4. April beginnen soll.

Auch die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ beendete auf der Insel Lesbos ihre Hilfsaktivitäten im Lager „Moria“, das die griechische Syriza/ANEL-Regierung in einem ehemaligen Gefängnis eingerichtet hat. Weitere Lager gibt es auf den ägäischen Inseln Chios, Samos, Leros und Kos. Mehr als 50 000 Flüchtlinge werden nun in Griechenland festgehalten, Tausende auf den Inseln, mehr noch auf dem Festland. Wer das griechische Territorium vor dem Abkommen der EU mit der Türkei erreicht hat, kann sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen. Im Osten ist die Türkei für die Flüchtlinge keine Alternative. Im Norden ist die Balkan-Route versperrt. Die letzten „Stopp-Schilder“ und Schusswaffenträger stehen an den Grenzen von Österreich und Bayern. Die „Asylrechtspflege“ in Berlin, Wien und an anderer Stelle zeigt Wirkung: Die Zahl der Flüchtlinge ging in den ersten drei Monaten des Jahres um mehrere 10 000 zurück.

Aus Protest übergoss sich ein Flüchtling im Lager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze mit Benzin und zündete sich an. 13 000 Flüchtlinge harren vor dem Stacheldraht an der Grenze von Mazedonien. Nur wer in Griechenland nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, wird nicht dorthin abgeschoben. Da die Regierungen der EU-Länder aber die Türkei offensichtlich für ein sicheres Land halten, dürfte die Beweisführung schwierig werden.

In Griechenland werden die Rechtsverhältnisse auf den Kopf gestellt. Die Flüchtlinge dürfen nur noch „legal“ einreisen. Wer die Einreise trotz NATO- und Frontex-Abschreckung geschafft hat, soll von griechischen Stellen registriert werden. Aber Griechenland verfügt nicht über das entsprechende Personal. Deutschland ist nicht ganz unerfahren, wenn es um Selektionen und Deportation geht. Der zum Flüchtlingskoordinator bestellte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sagt dazu in der Westdeutschen Zeitung: „Wir werden uns daran beteiligen. Die ersten deutschen Experten sind bereits in Griechenland im Einsatz, weitere machen sich auf den Weg.“ Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (Syriza) forderte von der deutschen Regierung mehr „Unterstützung“. Er denkt an mindestens 2 300 „Experten“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will 100 „Asylentscheider“ und Sekretariatskräfte schicken. Da, wo Entscheider fehlen, übernehmen Stacheldraht und Maschinenpistolen, das Asylpaket II und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung den Abwehrkampf. Außerdem sieht der Haushaltsplan der CDU/CSU/SPD-Regierung für 2017 3 000 neue Stellen für die Bundespolizei vor.

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"Griechenland wird zur Falle", UZ vom 1. April 2016



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