Hat wer gesagt, dass es billig wird?

Wera Richter • Berliner Senat lässt Kritiker der Schulprivatisierung auflaufen

Wera Richter ist stellvertretende Vorsitzende der DKP

Wera Richter ist stellvertretende Vorsitzende der DKP

In der vergangenen Woche durften Gegner der Schulprivatisierung in Berlin das Abgeordnetenhaus mit ihren Stellungnahmen belästigen. Die Volksinitiative „Unsere Schulen“ hatte die Anhörung durch das Sammeln von mehr als 30000 Unterschriften erzwungen. Per Beschluss nahmen die regierenden Parteien SPD, Grüne und „Die Linke“ „das Anliegen der Volksinitiative zur Kenntnis“ und begrüßten „das zivilgesellschaftliche Engagement der Antragstellenden zum Erhalt und zum Ausbau der Berliner Schulen“. Das klingt nach „Mach‘s gut und danke für den Fisch“ aus „Per Anhalter durch die Galaxis“.

So ist es auch gemeint, denn weiter im Text heißt es, dass dieses Anliegen am besten mit der durch den Senat beschlossenen „Schulbauoffensive“ erreicht werden kann. Diese ist nichts anderes als die Enteignung und Entmündigung der Bezirke und die Übertragung von Schulen, Grundstücken und Bauaufträgen an die Howoge. Das gewinnorientierte landeseigene Wohnungsbauunternehmen soll mehr als 30 Schulen in Modulform – abgerissen ist schneller als saniert – neu bauen und etliche Gebäude instandsetzen. Die Immobilien gehen dann für 33 Jahre in den Besitz der Howoge, die Bezirke zahlen Miete samt Zinsen und Gebühren.

Lange vor dem ersten Spatenstich sind die Kosten – zunächst auf 5,5 Milliarden beziffert – explodiert. Laut Berichten der „Berliner Zeitung“ beansprucht die Howoge gut 40 Prozent mehr Geld als geplant. Die Kosten für Neubau und Sanierung einzelner Standorte haben sich zum Teil verdoppelt. Die Volksinitiative „Unsere Schulen“ rechnet inzwischen mit Mieten von über 25 Euro pro Quadratmeter und nennt das Ganze Mietwucher mit freundlicher Unterstützung des rot-rot-grünen Senats.

Den ficht das nicht an. „Ich habe nie gesagt, dass es billiger wird, wenn wir die Howoge einschalten. Aber es wird solider“, hatte SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz den Skandal kommentiert. Sein Kollege Steffen Zillich (Die Linke) freut sich, der Schuldenbremse ein Schnippchen zu schlagen, und ist überzeugt: „Anders hätte man eine solche Großinvestition nicht regeln können.“

Die eingangs erwähnte Stellungnahme des Senats ist eine Ansammlung von Lügen: zügig, transparent, optimiert, pädagogisch, ökologisch und dann auch noch „die Partizipationsleitlinien für die Beteiligung von Planungsbetroffenen berücksichtigend“. Nee, klar. Wer solche Papiere zustande bringt, will alles, nur keine Bürgerbeteiligung.

Folgerichtig passten in den Saal, in dem die Anhörung vergangene Woche stattfand, neben den fünf zugelassenen Sachverständigen der Volksinitiative nur wenige der knapp 200 Privatisierungsgegner. Der Rest wurde immerhin vor Bildschirme gesetzt, auf denen die Anhörung – die Kamera unbewegt auf die Hinterköpfe der Sachverständigen gerichtet – live übertragen wurde. Diese durften der Reihe nach ihre Statements verlesen und Fragen der Abgeordneten beantworten. Selber fragen durften sie nicht, Zwischenbemerkungen wurden unterbunden, Gemurmel und Geknister im Saal geahndet. In die Ecke musste aber keiner.

Die Auseinandersetzung um die Schulprivatisierung in Berlin läuft seit etwa zwei Jahren. Seitdem ist rein gar nichts passiert, obwohl Berlins Schülern und Lehrern die Decke auf den Kopf fällt. Die Volksinitiative „Unsere Schulen“ hat anlässlich der Anhörung in einem 100-seitigen Gutachten erneut gründlich und geduldig erklärt, dass Berlin genug Geld hat, um sich selbst um seine Schulen zu kümmern, dass die sogenannte „Schulbauoffensive“ nichts beschleunigt, sondern im Gegenteil alles verzögert, dass jede Mitsprache unerwünscht ist und die Enteignung in Geheimverträgen geregelt wird und dass hier ganz offensichtlich Politik für Banken und Konzerne gemacht wird.

Die verantwortlichen Politiker von R2G haben die Zahlen, Daten, Fakten kalt abtropfen lassen. Es hilft nichts. Sie müssen weiter an die Betroffenen herangetragen werden: An Schüler, Eltern, Beschäftigte und Sportvereine, die Verlierer dieser neuerlichen Privatisierungsorgie sein werden.

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Hat wer gesagt, dass es billig wird?", UZ vom 16. November 2018



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