Stimmen zu Annegret Kramp-Karrenbauers Wahl zur CDU-Vorsitzenden

In Merkels Fußstapfen?

Von Nina Hager

Die neue CDU-Vorsitzende wird es schwer haben. Nicht nur dabei, die eigene Partei zusammenzuhalten. Während die einen in der Union Kramp-Karrenbauer unterstützen beziehungsweise Unterstützung versprechen wie Markus Söder (CSU) und Noch-CSU-Chef Seehofer oder der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, der die Sacharbeit wieder in den Vordergrund stellen will, äußern andere ihren Unwillen über das Wahlergebnis auf dem Hamburger Parteitag.

Das Echo auf die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer ist jedoch nicht nur in der eigenen Partei zwiespältig. Während manche sich zufrieden zeigten oder artig gratulierten, gab und gibt es auch von anderen teils offene, teils versteckte Kritik. So erklärte Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Vorsitzender, in der Sendung von Anne Will „CDU mit neuer Chefin – reicht das für einen Neustart?“ am Sonntagabend: „Ich habe gesagt: Wenn die Union Wahlen gewinnen will, muss sie Merz wählen. Wenn sie es kuschelig haben will, muss sie Kramp-Karrenbauer wählen. Und sie wollte es kuschelig haben.“ Sein eigener Parteivorsitzender, Christian Lindner, hatte zuvor zwar Kramp-Karrenbauer gratuliert, aber auch betont: „Eine Mehrheit des Parteitags sprach sich für eine andere Strategie aus, hat dann aber eher Kontinuität gewählt.“  

Ähnlich waren die Reaktionen auch bei anderen wie in den hiesigen bürgerlichen Medien. Ganz andere Akzente setzte Katja Kipping, Ko-Vorsitzende der Partei „Die Linke“: „Merz ist gescheitert. Das heißt nicht, dass (…) nun eine liberale und weltoffene CDU in die Zukunft startet: Die Merkel-Nachfolgerin vertritt in Fragen von Gleichberechtigung und Migration einen reaktionären Kurs. Der Preis für ihre Macht sind Zugeständnisse an die Herrenriege um Jens Spahn und Friedrich Merz, die die CDU zurück in die Vergangenheit zerren wollen.“

Auch in den EU-Staaten sowie den USA wurde Kramp-Karrenbauers Wahl kommentiert. Und auch hier gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Einige Zeitungen folgen der Behauptung, Kramp-Karrenbauer würde nur die Politik Merkels fortsetzen. Andere sehen das differenzierter. Der Londoner „Guardian“ schrieb: „Kramp-Karrenbauers Sieg ist ein Zeichen dafür, dass die Partei auf dem von Merkel eingeschlagenen Weg weitergehen will.“ In der „New York Times“ konnte man lesen: „In einer Zeit, in der Wähler anderswo in Europa und der Welt nach radikalen Veränderungen rufen und sich populistischen – und oft männlichen – Führern verschreiben, die einfache Antworten auf komplexe globale Probleme versprechen, hat sich Deutschlands größte Partei am Freitag für das Gegenteil entschieden: eine Frau, die einer anderen Frau nachfolgt, mit einem differenzierten politischen Programm, das allem voran für Kontinuität und Stabilität steht.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ meinte dagegen: „Kramp-Karrenbauer wird sich von Merkel lösen müssen. Ansätze gibt es. Kramp-Karrenbauers Ton unterscheidet sich vor allem in Fragen der inneren Sicherheit. Der Staat müsse stark sein gegen kriminelle Clans und gegen ‚autonome Chaoten’. Doch den Worten werden Vorschläge folgen müssen.“ Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ schrieb: „Gewonnen hat die CDU des dritten Jahrtausends, zentristisch, moderat und pragmatisch. Und vor allem hat Angela Merkel mit ihrer ruhigen Revolution gewonnen. Ihre Nähe zur Kanzlerin hat AKK nicht daran gehindert, andere Positionen als Merkel bei den Themen Verteidigung der traditionellen Familie und Migration einzunehmen.“ Verwiesen wird aber darauf, dass sie ein schweres Erbe antrete und große Mühe haben werde, die Partei zusammenzuhalten.

Dagegen sind die hiesigen Kapitalvertreter schon längst wieder zur Tagesordnung übergegangen. Sie interessieren die Grabenkämpfe offenbar nicht, denn sie formulierten sogleich die eigenen Ansprüche. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer erklärte: „Ich wünsche der neuen Parteiführung, dass sie vor dem Hintergrund der sich ändernden wirtschaftlichen Situation die Kraft findet, zugunsten der Wirtschaft und ihrer Arbeitsplätze die Fragen der Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund zu rücken.“ Der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, fordert, dass von „der neuen CDU-Vorsitzenden frische Impulse und Ideen zum Beispiel in der Steuer- und Finanzpolitik ausgehen“.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"In Merkels Fußstapfen?", UZ vom 14. Dezember 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit