Geheimdienst beweist eigene Überflüssigkeit

Inhaltslose Schnüffelberichte

Von Markus Bernhardt

Bereits Ende Juni wurde der sogenannte Verfassungsschutzbericht über vermeintlich extremistische Aktivitäten im Jahr 2018 vorgestellt. Wirklich neue Informationen bietet der Bericht einmal mehr nicht. Derzeit geht der Inlandsgeheimdienst davon aus, dass rund 24100 sogenannte Rechtsextremisten in der Bundesrepublik existieren. 12700 Neonazis davon gelten dem Bericht zufolge als „gewaltorientiert“.

Wie üblich beschäftigt sich der Inlandsgeheimdienst auch mit angeblichen „Linksextremisten“, womit Antifaschisten, Kommunisten und Sozialisten gemeint sind. Insgesamt 32000 von ihnen soll es im gesamten Bundesgebiet geben. Über die „orthodox-kommunistische“ DKP weiß der Geheimdienst zu berichten, dass diese mit ihren etwa 2850 Mitgliedern „unverändert an ihrem Ziel des Sozialismus und Kommunismus“ festhalte und „sich als Richtschnur für ihr Handeln auf die Theorien von Marx, Engels und Lenin“ berufe.

Ähnlich erkenntnisreich liest sich der gesamte Bericht, der antifaschistisches Engagement und Kapitalismuskritik für verfassungsfeindlich hält. Von den eigenen Verstrickungen des Geheimdienstes in die militante Naziszene und das V-Leute-Unwesen liest man erwartungsgemäß nichts. Ebenso wenig davon, dass rassistische und rechtsextreme Ideologiefragmente immer häufiger in der vermeintlichen gesellschaftlichen Mitte beheimatet sind.

Gleiches gilt für den „Verfassungsschutzbericht“ für Nordrhein-Westfalen, der ebenfalls vor wenigen Tagen vorgestellt wurde. Angaben des Geheimdienstes zufolge gelten 3 255 Personen in NRW als „Rechtsextremisten“, 2 000 von ihnen gelten als gewaltbereit. „Diese Leute radikalisieren sich mehr und mehr“, erkannte sogar NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Die Gefahr bestehe, so Reul, dass die braune Ideologie dieser Gruppen entgrenzt und rechtsradikale Gedanken wieder salonfähig werden. Neben den „üblichen verdächtigen“ Linken holt der sogenannte Verfassungsschutz in NRW vor allem zum Schlag gegen die Umwelt- und Klimabewegung aus und versucht, diese als „linksextrem“ zu diffamieren. Auch findet sich in besagtem Bericht ein eigenes Kapitel zu vermeintlichem Antisemitismus, in dem auch linke Aktivitäten wie Demon-

strationen für Frieden im Nahen Osten aufgelistet sind.

Einmal mehr beweisen die Schlapphüte ihre eigene Unkenntnis und Überflüssigkeit. Schnüffelberichte wie die jüngst veröffentlichten könnten nahezu von jedem Journalisten oder auch Antifaschisten, der die Naziszene ein wenig im Auge hat, relativ flink verfasst werden. Wirklich neue Informationen finden sich darin kaum. Vielmehr handelt es sich bei den Berichten weitestgehend um politische Diffamierungspamphlete gegen die politische Linke und Verharmlosungsbroschüren bezüglich der erstarkenden Rassisten und Neonazis. Hinzu kommt: Die Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat geht keineswegs nur von sogenannten Extremisten aus, sondern auch von den Schreibtischtätern, die mittels der Verschärfung der Polizeigesetze die Grund- und Freiheitsrechte bis zur Unkenntlichkeit schleifen. Die größte Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat sitzt in den Stuben der Inlandsgeheimdienste selbst.

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"Inhaltslose Schnüffelberichte", UZ vom 12. Juli 2019



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