Sterne-Führer Di Maio verlangt Amtsenthebung des Staatschefs

Italien vor Neuwahlen

Von Gerhard Feldbauer

In Rom haben sich in den vergangenen Tagen die Ereignisse überschlagen. Am Sonntag hat Staatspräsident Mattarella von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht und die von dem designierten Premier Conte für eine Regierung der rassistischen Lega und der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) vorgeschlagene Ernennung des EU-kritischen Wirtschaftsministers Paolo Savona abgelehnt. Die Finanzmärkte und Ratingagenturen hatten ungewöhnlich heftig auf die Nominierung reagiert. Am Montag erteilte Mattarella dem parteilosen Wirtschaftswissenschaftler Carlo Cottarelli, einen jahrelangen Mitarbeiter und Ex-Direktor des IWF, den Auftrag, ein technisches Kabinett, eine sogenannte Regierung des Präsidenten, zu bilden.

Lega-Chef Salvini und M5S-Führer Di Maio hatten vorher in bisher kaum gekannter Missachtung der Verfassungsgrundsätze dem Staatschef das Recht abgesprochen, Minister zu bestätigen oder abzulehnen. Sie beschuldigten ihn, sich dem Druck aus Brüssel und Berlin zu beugen. Di Maio forderte, unter Bezug auf Artikel 90 der Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatschef einzuleiten. Der Artikel 90 betrifft ein Verfahren wegen „Hochverrat oder Anschlag auf die Verfassung“. Ein Amtsenthebungsverfahren gab es bisher in Italien noch nicht.

Pressestimmen hoben hervor, dass für Mattarella die EU-kritische Haltung der Koalition Lega-M5S auch Anlass war, eine Regierung mit der Rassistenpartei Salvinis zu verhindern, die sich bekanntlich bei ihrer Migrantenhetze neofaschistischer Sturmtrupps wie der „Casa Pound“ und der „Forza Nuova“ bedient. Er habe, so die römische „La Repubblica“, an den 44. Jahrestag des neofaschistischen Attentats in Brescia mit acht Toten und über 100 Verletzten erinnert und erklärt, es gehe darum, „jene zu besiegen, die Intoleranz und Angst säen wollen“. Den wachsenden Befürchtungen vor einem faschistisch-rassistischen Regime schloss sich Maurizio Martina, amtierender Chef der Demokratischen Partei (PD), an. Im Mailänder „Corriere della Sera“ warnte er, Lega und M5S „wollen aus Italien ein zweites Ungarn oder Polen machen“.

Mit einer Technikerregierung muss Cottarelli sich in Senat und Abgeordnetenhaus der Vertrauensabstimmung stellen. Sollte er nicht bestätigt werden, kann Mattarella ihn beauftragen, bis zu Neuwahlen zu amtieren. Wichtigstes Argument: Italien müsse mit einer funktionsfähigen Regierung auf dem G7-Gipfel am 8./9. Juni in Malbaie/Quebec vertreten sein. Für Neuwahlen muss der Staatschef das Parlament auflösen. Der Urnengang kann frühesten nach 45 Tage stattfinden, aber wohl erst im September, denn Wahlen im Ferienmonat August sind für Italiener unvorstellbar. Zu Neuwahlen wird in der Lega bereits erwogen, M5S eine Koalition anzubieten.

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"Italien vor Neuwahlen", UZ vom 1. Juni 2018



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