Report des WEF berichtet über den Stand der ­Gleichstellung von Frauen und Männern

Kaum Fortschritte

Gleichberechtigung von Mann und Frau? Da liegt nicht nur hierzulande vieles im Argen. 132 Jahre könnte es noch dauern, bis Frauen und Männer weltweit die gleichen Chancen, Gehälter und Rechte haben werden. Darauf verweist der diesjährige „Global Gender Gap Report“. Der Report, in dem dieses Mal Daten aus 146 Ländern ausgewertet wurden, wird seit 2006 jährlich im Auftrag des Weltwirtschaftsforums (WEF) erarbeitet. Berichtet wird darin über den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Politik in den in die Untersuchung einbezogenen Ländern.

Dabei haben die Folgen der Corona-Pandemie die Situation in vielen Ländern wieder beziehungsweise weiter verschlechtert. In Wirtschaftssektoren, die am häufigsten von Schließungen betroffen gewesen sind, seien überproportional viele Frauen tätig. Schul- und Kitaschließungen hätten auch in den Industrieländern vor allem Frauen sehr stark belastet. Und: „Die Fortschritte bei der Überwindung der globalen Geschlechterkluft sind zu langsam, um die während der Pandemie aufgelaufenen Verluste wieder aufzuholen“, zitierte der „Spiegel“ aus dem diesjährigen Report: Die Geschlechterparität in der Erwerbsbevölkerung sei nun auf dem niedrigsten Stand, der jemals ermittelt wurde. Befürchtet wird auch, dass Frauen unter den nun weltweit weiter steigenden Lebenshaltungskosten besonders leiden werden. Auf die tatsächlichen gesellschaftlichen Ursachen aber wird nicht eingegangen.

Deutschland lag 2021 auf Rang 11, 2022 laut dem kürzlich veröffentlichten Bericht auf Platz 10. Wohl dank der 16 Jahre Regierungszeit einer Bundeskanzlerin hat man sich „verbessert“. Die Anzahl der Jahre, in denen ein Land von einer Frau regiert wurde, fließen in die Bewertung mit ein – sagt aber nicht viel über die tatsächliche Teilhabe von Frauen in der Politik aus. Angeblich stehe Deutschland aber gut da, was Frauen in – politischen, aber nicht in wirtschaftlichen – Führungspositionen betreffe. In der Bildung liegt man auf Platz 81 von 146 – wahrlich kein Ruhmesblatt. Für die Kategorie „Gesundheit und Überleben“ wird etwa die Lebenserwartung betrachtet. Laut dem Bericht gibt es hier zu 97 Prozent Chancengleichheit. Doch sei hier daran erinnert, dass Deutschland im Hinblick auf Gewaltakte gegen Frauen im Vergleich zu anderen Ländern schlecht dasteht.

Bei der „Wirtschaftlichen Teilhabe und Chancen“ reicht es auch nur für Rang 105: Untersucht wurde hier zum Beispiel, ob gleiche Arbeit bei Männern und Frauen gleich bezahlt wird. Im Dezember 2019 hatte die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack im Zusammenhang mit dem Report 2020 gefordert: „Damit es kein Jahrhundert dauert, bis Frauen endlich gleich bezahlt werden und genauso oft in Spitzenpositionen und politische Ämter kommen wie Männer, brauchen wir Gesetze, die dies beschleunigen.“ Getan hat sich da bislang nicht wirklich Wirksames.

2006 hatte die Bundesrepublik Deutschland noch Platz 5 in der Rangliste belegt, andere Länder haben jedoch seitdem größere Fortschritte bei der Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern erreicht. In der Rangliste führt 2022 Island vor Finnland, Norwegen und Neuseeland, Schweden, Ruanda, Nicaragua und Namibia sowie Irland. Die USA liegen an 27. Stelle der Rangliste – angesichts auch des jüngsten Urteils des Obersten Gerichts des Landes zur Abtreibung ist eine solche Einstufung im „Vorderfeld der Rangliste“ wahrlich der reinste Hohn.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Kaum Fortschritte", UZ vom 22. Juli 2022



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