Nach Tumulten will die Polizei in München ein Alkoholverbot durchsetzen

Kein Alkohol ist auch keine Lösung

Am Wochenende vorletzter Woche kam es im Münchener „Englischen Garten“ zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und jungen Menschen, die im Park ihr Feierabendbier genießen wollten. Als die Beamten wegen einer Schlägerei zwischen Jugendlichen einschritt, gab es laut Polizei „gruppendynamische Prozesse und Solidarisierungseffekte vieler dort anwesender Personen gegen die Polizei“ und 19 verletzte Beamtinnen und Beamte sowie sechs Verhaftungen. Nun fordert die Polizei ein Alkoholverbot für den „Englischen Garten“. Darüber sprach UZ mit Judith Greil, Vorsitzende des Kreisjugendrings München-Stadt (KJR).

UZ: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) stellt sich hinter die Polizei und schließt sich der Forderung nach einem Alkoholverbot im Englischen Garten an. Wie sieht das der KJR?

210402 greil - Kein Alkohol ist auch keine Lösung - Kommunalpolitik, Polizei, Repression - Politik
Judith Greil

Judith Greil: Der KJR ist gegen das Alkoholverbot im Englischen Garten. Alle, die mal gerne ein Feierabendbier da trinken, würden unter Generalverdacht gestellt werden, sie seien aggressiv und würden gegen Polizeibeamte vorgehen. Das ist nicht richtig.

Das Perfide am Verbot, wie es geplant ist, wäre, dass die Gastronomie davon nicht betroffen sein soll. Die Biergärten, die es im Englischen Garten gibt, sollen weiter geöffnet bleiben. Man kann also sich für rund 10 Euro eine Maß Bier im Biergarten genehmigen. Wenn man sich das aber nicht leisten kann – was gerade bei jungen Menschen der Fall ist –, dann darf man sich nicht 100 Meter weiter mit einem mitgebrachten Getränk in die Wiese setzen. Das finde ich absolut nicht nachvollziehbar.

UZ: In München sind in den letzten Jahren immer mehr Freiräume verschwunden. Die wenigen, die es noch gibt, sind Corona-bedingt geschlossen. Wie kann man den Jugendlichen helfen, Freiräume zu schaffen?

Judith Greil: Der erste Schritt ist, dass man dieses Problem ernst nimmt und sich darum kümmert, dass es mehr Freiräume für junge Menschen gibt. Man muss gezielt Orte ohne Konsumzwang suchen, wo sich die jungen Menschen willkommen fühlen. Stattdessen mit pauschalen Verboten zu agieren führt nur dazu, dass sich junge Menschen noch weniger willkommen fühlen im öffentlichen Raum.

Ein Beispiel, wo die Stadt gerade mehr macht, ist im Bereich Zwischennutzungen, die auch für jugendkulturelle Projekte genutzt werden.

UZ: Am Gärtnerplatz und am Wedekindplatz gibt es bereits Alkoholverbote in München. Bringen die was?

Judith Greil: Sicherlich bringt so was den Anwohnern etwas, aber nicht für die Stadt insgesamt. Verbote führen nur dazu, dass sich die Menschen einen anderen Ort suchen. Dann verlagert sich das Ganze einfach zum Beispiel an die Isar.

Das Besondere an München ist, dass es nur wenige zentrale Orte wie eben den Englischen Garten oder die Isar gibt, wo man sich mit Freunden an einem öffentlichen Ort treffen kann. In den einzelnen Vierteln gibt es hingegen wenig Orte dafür. Interessant dabei ist, dass die Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass jetzt diskutiert wird, wie man die Viertel – eben auch für junge Menschen – mehr beleben kann.

UZ: Doch Polizei und OB wollen lieber Verbote aussprechen …

Judith Greil: Die Diskussion um ein Alkoholverbot hatten wir schon vor einem Jahr. Da war schon die Begründung, dass viele junge Menschen durch Corona nicht ins Jugendzentrum, in den Sportverein oder zum Jugendverband gehen können und dann natürlich nach draußen gehen, in den öffentlichen Raum drängen.

Es ist natürlich so, dass in einer Großstadt – gerade, wenn sie so dicht besiedelt ist wie München – dann Nutzungskonflikte auftreten. Die gab es schon vor der Pandemie. Nutzungskonflikte lassen sich nicht komplett vermeiden. Man muss schauen, wie können wir damit umgehen, damit alle Menschen in der Stadt ihren Platz finden können. Da ist der falsche Weg, Verbote auszusprechen.

Man muss ins Gespräch kommen und Verständnis für die Situation des jeweils anderen haben. Die Stadt München unterhält zum Beispiel das „Allparteiliche Konfliktmanagement AKIM“. Das sind keine Polizeibeamten, sondern Sozialarbeiter, die genau zu solchen Räumen, wo es zu Konflikten kommen kann, hingehen und den Dialog suchen.

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"Kein Alkohol ist auch keine Lösung", UZ vom 28. Mai 2021



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