Angriff auf Luxemburg-Liebknecht-Demo muss Konsequenzen haben

Prügelorgie mit Vorsatz

Mehr als 3.000 Demonstrantinnen und Demonstranten zogen am vergangenen Sonntag in Berlin zu den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Friedrichsfelde. Die Berliner Polizei hatte zuvor versucht, den Aufzug mit brachialer Gewalt zu verhindern. Der Vorwand für den Angriff war willkürlich: Die blauen Hemden und Fahnen der Jugendorganisation FDJ sollten aus der Demonstration verschwinden, sie seien verboten.

Es sei ein „geschichtlicher Irrsinn“ den Angriff mit dem Verbot der FDJ 1951 in der BRD zu begründen, kommentierte Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP. FDJ und KPD seien in Westdeutschland verboten worden, weil sie gegen die Remilitarisierung und für die Einheit Deutschlands kämpften. „Diese Verbote waren undemokratisch und völkerrechtswidrig“, so Köbele. Nach der Annexion der DDR seien sie vom Tisch gewesen, weil man die aus der DDR kommende FDJ nicht auch noch habe verbieten können.

Die FDJ nahm auch in den vergangenen Jahren an der LL-Demo teil und wurde noch am 3. Oktober 2020 im Blauhemd von Polizisten durch das Regierungsviertel eskortiert. „Egal, wie man zur heutigen FDJ steht – ich bin kein besonderer Freund ihrer Politik, die vor allem aus Events im Blauhemd besteht –, wenn die Repressionsorgane so vorgehen, gibt es nur Solidarität“, so Köbele. Er fügte hinzu: „Diese Provokation der Polizei war geplant und gewollt, wären es nicht die FDJ-Hemden gewesen, hätte ein anderer Vorwand herhalten müssen.“

Die Berliner Polizei ließ sich wie so oft nicht beeindrucken. Historische Wahrheit und Argumente der Demo-Leitung prallten ebenso am Einsatzleiter ab wie Vermittlungsversuche der anwesenden Bundestagsabgeordneten der Partei „Die Linke“ Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und Alexander Neu. Der Auftrag wurde ausgeführt. Wer im Weg war, musste weg – egal ob im Rollstuhl, auf Krücken, minder- oder 80-jährig. Nach mehreren Übergriffen auf den Jugend- und Antifa-Block, deren Teilnehmer versuchten, die FDJ-Mitglieder zu schützen, gelang es der Polizei, die Fahnen und Jugendlichen in ihren blauen Hemden aus dem Aufzug zu zerren. Die Bilanz: Mehrere zum Teil schwer verletzte Demonstranten, darunter ein Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), und Dutzende Festnahmen. Durch die immer wieder in die Menge prügelnden Polizisten in Kampfmontur, die zum Teil keine Masken trugen, konnten Abstandsregeln nicht mehr eingehalten werden. Die Gesundheit der Demonstrationsteilnehmer wurde vorsätzlich gefährdet.

Offenbar wollte das „rot-rot-grüne“ Berlin unter Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Gunst der Stunde nutzen, um die verhasste Luxemburg-Liebknecht-Demonstration zu kriminalisieren und endlich loszuwerden. Alljährlich versammeln sich zum Jahresanfang in Berlin an die 10.000 Kommunisten, Sozialisten, Antimilitaristen und Antifaschisten über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg, um der am 15. Januar 1919 ermordeten Arbeiterführer zu gedenken – und nicht zuletzt um an die schändliche Rolle der Sozialdemokratie bei dieser Bluttat zu erinnern.

Es war absehbar, dass die Demonstration in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie, wegen gesundheitlicher Bedenken, Verunsicherungen und Reisebeschränkungen deutlich kleiner ausfallen würde. Demobilisierend war auch die Absage des „Stillen Gedenkens“ am Friedhof der Sozialisten durch die Partei „Die Linke“. Ein Aufruf zur LL-Demonstration blieb aus. Folgerichtig halten sich auch Solidarität mit den Opfern und Empörung über die Polizeigewalt im Karl-Liebknecht-Haus in Grenzen.

Dass sich der Demonstrationszug am Sonntag „trotz alledem“ mit mehr als einer Stunde Verspätung erneut formieren und nach Friedrichsfelde ziehen konnte, ist ein Erfolg. „Wir haben die Demonstration gemeinsam verteidigt. Das war gut und wichtig, denn Widerstand gegen Aufrüstung, Abwälzung der Krisenlasten, Demokratieabbau muss auf die Straße“, so Köbele. „Das Vorgehen der Polizei war ein Skandal und muss Konsequenzen haben. Die Verantwortung liegt beim Senat und den regierenden Parteien von SPD, Linken und Grünen.“ Das LL-Bündnis prüft juristische Schritte gegen den rechtswidrigen Polizeieinsatz.

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Prügelorgie mit Vorsatz", UZ vom 15. Januar 2021



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