Thomas Haldenwang wird neuer VS-Chef

Kein Mentalitätswechsel

Von Markus Bernhardt

Nach langen politischen Auseinandersetzungen um den mittlerweile doch in den vorläufigen Ruhestand versetzten Chef des sogenannten Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, wurde jüngst dessen früherer Stellvertreter Thomas Haldenwang von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Leiter des Inlandsgeheimdienstes ernannt. Haldenwang ist – wie auch Maaßen – Mitglied der CDU, gilt jedoch im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht als ganz so rechtslastig. Während Maaßen sich einen zweifelhaften Ruf als faktischer Politikberater für die völkisch-nationalistische AfD erarbeitete und mittels nachweisbar unwahrer Behauptungen – und in trauter Eintracht mit extremen Rechten – etablierte Medien der ARD der Verbreitung von Fake-News bezichtigte, gilt Haldenwang als Mann leiserer Töne.

Der neue Mann an der Spitze des Bundesamtes sollte deshalb trotzdem nicht unterschätzt oder gar als Liberaler gehandelt werden. Laut seiner auf der Internetseite des Dienstes veröffentlichten Biografie trat der 1960 in Wuppertal geborene Haldenwang nach dem Abitur seinen Wehrdienst bei der Marine an und studierte in Marburg/Lahn Rechtswissenschaften. Das Referendariat im OLG-Bezirk Düsseldorf beendete er 1991 mit dem 2. jur. Staatsexamen. Danach war er von 1991 bis 2000 Referent in der Dienstrechtsabteilung sowie als Personalreferent im Bundesministerium des Innern tätig. Nach weiteren Stationen als Referatsgruppenleiter im Bundesverwaltungsamt und anderen Tätigkeiten im Bundesministerium des Innern setzte er seine Laufbahn ab 2009 beim Bundesamt für Verfassungsschutz fort, wo er „bis Ende 2012 die Zentralabteilung“ leitete und sodann „zum Ständigen Vertreter des Vizepräsidenten bestellt“ wurde. „Am 1. August 2013 wurde er zum Vizepräsidenten des BfV ernannt. Seit 15. November 2018 ist Thomas Haldenwang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz“, wie es auf der Internetseite des Inlandsgeheimdienstes weiter heißt.

Im Gegensatz zu Maaßen scheint Haldenwang die erstarkende neofaschistische Szene ernster zu nehmen und sich auch einer Beobachtung der AfD nicht vehement zu verweigern. Und doch sollte eines klar sein: Es ist relativ gleichgültig, wer genau an der Spitze der fälschlicherweise als „Verfassungsschutz“ bezeichneten Behörde steht. Der von Faschisten aufgebaute Dienst, der sich in den Nachkriegsjahren der Bespitzelung und Verfolgung von antifaschistischen Widerstandskämpfern, Gewerkschaftern, Friedensbewegten und Kommunisten widmete und in den letzten Jahren – Stichwort NSU – durch den Aufbau und die finanzielle und personelle Alimentierung neofaschistischer Terrorgruppen und Netzwerke von sich reden macht, ist mit einer demokratischen Gesellschaft nicht in Einklang zu bringen. Was vor der Selbstenttarnung des NSU noch bestenfalls zynisch gewirkt hätte, ist mittlerweile ernste Realität: Wer rassistischen und neofaschistischen Netzwerken einen empfindlichen Schlag versetzen will, kommt nicht umhin, die Behörde mit der Falschbezeichnung „Verfassungsschutz“ zu zerschlagen. Gleiches gilt für islamistische Anschläge wie den von Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt, der ohne die Beihilfe des V-Mann-Unwesens so nicht möglich gewesen wäre.

Die größte Gefahr für den Rechtsstaat geht daher auch weiterhin von den Schlapphüten aus. Ob sie Maaßen oder Haldenwang heißen, ist dabei ohne Belang. Nicht der jeweilige Amtsvorsteher ist das Problem, sondern die Institution an sich, die geschaffen wurde, um die eigenen Bürger zu beschatten.

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"Kein Mentalitätswechsel", UZ vom 23. November 2018



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