Von den USA missachtet und vom eigenen Wirtschaftskrieg getrieben, verspricht die Ampel neue Milliarden für Konzerne

Keine Ehre unter Dieben

Wenigstens haben sie Autobahnen gebaut, soll man später einmal sagen können. Kaum war der Kriegshaushalt in trockenen Tüchern, begann für Verena Hubertz (SPD) die Arbeit am Ampel-Vermächtnis. Im „Deutschlandfunk“ warb sie am Montag für die Einrichtung eines „Deutschlandfonds“, der „massiv privates Kapital“ heben soll. Das könne dann „auch mal für die Infrastruktur investiert werden“. Als potentielle Geldgeber brachte Hubertz Großanleger und „Pensionskassen“, also private Versicherungskonzerne, ins Spiel. Das sei „ein sehr kluger Vorschlag“, lobte sie sich selbst für ihre Idee, die Reste der öffentlichen Infrastruktur an das Finanzkapital zu verscheuern.

Wer privates Kapital „aktivieren“ möchte, muss seine Vermehrung in Aussicht stellen. Wer bestimmt zukünftig, was gebaut wird? Wer zahlt für den Profit? Über das „Geschäftsmodell“ müsse noch gesprochen werden, sagte Hubertz. Dass die Investitionen Rendite einbringen, versprach sie schon einmal vorab. „Wir sind ja keine Planwirtschaft.“

Der „Deutschlandfonds“ war nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von radikal kapitalfreundlichen Vorschlägen, die im Bundestag ihren Anfang nahmen. Soeben war jeder Euro dreimal umgedreht worden, um die Rekord-Rüstungsausgaben zu finanzieren. Der Kahlschlag für Bauern und Arbeitslose, Kinder und Gesundheit war durchgesetzt, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ans Pult trat. „Zu Recht“ würden die Unternehmen „Tax Credits“ wollen. Als Umfang schwebte ihm ein „Wachstumschancengesetz mal 10, vielleicht mal 50“ vor. Zur Einordnung: das angesprochene Gesetz soll Konzernen Steuereinsparungen von rund sieben Milliarden Euro einbringen. Um seine Steuersenkungen zu finanzieren, schlug Habeck ein neues „Sondervermögen“ vor.

Davon wollte Finanzminister Christian Lindner (FDP) jedoch nichts wissen. Steuererleichterungen wolle er zwar auch, aber keine neuen Schulden. Deshalb regte er an, den Solidaritätszuschlag, der nur Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener betrifft, zu streichen. Der so gereichte goldene Löffel sollte nach den Vorstellungen des Finanzministers durch weitere Kürzungen im Haushalt refinanziert werden.

Dass die Ampel nicht einmal eine Anstandswoche vergehen ließ, um von den Sozialkürzungen für Alle zu Milliardengeschenken für Wenige überzugehen, hat seine Gründe. Am Dienstag halbierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Konjunkturprognose für Deutschland. Mit einer erwarteten Wachstumsrate von 0,3 Prozent bildet die Bundesrepublik das Schlusslicht unter den westlichen Industriestaaten. Ein Grund für die ungebrochene Krisenstimmung sei das große Gewicht der energieintensiven Industrie hierzulande, erläuterte „tagesschau.de“.

Dieses Problem wird jedoch weder durch einen „Deutschlandfonds“ noch durch Steuersenkungen gelöst. Helfen würde es, den Wirtschaftskrieg gegen Russland zu beenden. Allen diplomatischen Verwerfungen zum Trotz, hatte sich die russische Regierung als verlässlicher Lieferant erwiesen, was Habeck, Scholz und Co. nicht davon abhielt, auf extrem umweltschädliches Flüssiggas (LNG) aus Übersee zu setzen. Die Tragweite dieser Entscheidung zeigte sich in der vergangenen Woche, als US-Präsident Joseph Biden ein Moratorium für die Genehmigung von LNG-Exporten verhängte. Auch deutsche Verträge sind davon betroffen. Dabei hatte die Ampel ja gerade auf wachsende US-Exporte und mittelfristig sinkende Preise für Europa spekuliert, als sie sich selbst von der Pipeline-Versorgung aus dem Osten abschnitt. Das billige Gas bleibt nun absehbar in den USA. Der ehemalige Standortvorteil liegt beim transatlantischen Konkurrenten.

Beim Versuch, Russland zu ruinieren, plündern das deutsche Monopolkapital und seine Regierung die eigene Bevölkerung und werden dabei selbst von Washington über den Tisch gezogen. Es war nicht alles schlecht, wird es einmal heißen. Es kommt nur darauf an, wen man fragt.

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

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"Keine Ehre unter Dieben", UZ vom 9. Februar 2024



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