Tarifrunde Bahn: EVG will zügige Verhandlungen und gibt an, „schnell aktionsfähig“ zu sein

Keine Zeit für Folklore

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) steht vor einer herausfordernden Tarifrunde. Sie geht mit einer einheitlichen Forderung für rund 50 Unternehmen in die Verhandlungen: 12 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro, bei einer Laufzeit von 12 Monaten – so lautet der Beschluss, der auf einer gemeinsamen Tagung aller beteiligten Tarifkommissionen gefasst wurde. Die EVG hat damit ein Zeichen für die gesamte Branche gesetzt und deutlich gemacht, dass der Schienenpersonenverkehr hierzulande nicht nur aus der Deutsche Bahn AG besteht.

Dem Beschluss ging eine Debatte in Betriebsgruppen, Workshops und Diskussionsrunden voraus, in der intensiv um die richtige Forderung gerungen wurde. Wie Teilnehmer berichteten, wurde diese zeitweise sehr emotional geführt – und zwar vor allem dann, wenn Kollegen deutlich machten, dass das Geld aufgrund der Preissteigerungen nicht mehr bis zum Ende des Monats reicht.

Die beiden EVG-Verhandlungsführer, Kristian Loroch und Cosima Ingenschay – beide stellvertretende Vorsitzende ihrer Gewerkschaft –, machten angesichts dieser Situation deutlich, dass ein schneller Tarifabschluss angestrebt wird. Die beteiligten Unternehmen seien darauf hingewiesen worden, dass die EVG auf das übliche Prozedere verzichten wird. Dieses sieht vor, dass in der ersten Verhandlungsrunde zunächst nur die Forderungen zur Kenntnis genommen werden, um dann in einer zweiten Runde deutlich zu machen, dass diese nicht akzeptabel sind. Erst in der dritten Runde wird angefangen zu verhandeln. „Für diese Art von Tariffolklore haben wir dieses Mal keine Zeit“, sagte Loroch. „Wir werden sehr schnell aktionsfähig sein, sollten die Arbeitgeber die nötige Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitenden vermissen lassen. Wer nicht von Anbeginn an ernstzunehmende Angebote auf den Tisch legt, wird die entsprechenden Konsequenzen zu spüren bekommen.“

Die Vorbereitungen für die Tarifrunde laufen seit dem Jahreswechsel auf Hochtouren. Mit einer „Streik-Akademie“ werden die EVG-Betriebsgruppen geschult. Für die Mitglieder gibt es zahlreiche Online-Angebote wie einstündige Informationsveranstaltungen, Online-Tagesseminare und auch mehrtägige Schulungsveranstaltungen. Die Themen reichen von Tarifpolitik über „Arbeitskampf von A-Z“ bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit während des Streiks. Zudem haben regionale Aktionsteams ihre Arbeit aufgenommen.

Ab Ende Februar, also mit dem Beginn der Verhandlungen, sollen öffentliche Aktionen stattfinden. Ende März soll Klarheit bestehen, ob und wie Druck auf die Unternehmen verstärkt werden muss. Die EVG betont, dass der Druck aus den Betrieben groß sei, denn die Arbeitsbedingungen seien derzeit vom Personalmangel geprägt. Der demografische Wandel in der Belegschaft, aber auch die Fluktuation und der erhöhte Krankenstand sind Ursachen. Die Deutsche Bahn spricht von 25.000 Einstellungen in diesem Jahr. Das hört sich gigantisch an, unterm Strich wird aber meist nur der Status quo beibehalten. Kleinere Unternehmen haben sogar noch größere Probleme. Das zeige, dass die Löhne deutlich rauf müssten, und zwar „bei allen Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen wie auch im Bus­bereich“, so Ingenschay. „Sonst bleibt die Verkehrswende auf der Strecke.“ Die EVG will mit dieser Tarifrunde und dem gleichzeitigen Ende zahlreicher Tarifverträge die Beschäftigten der Branche zusammenzuführen. So heißt es auf einem Plakat: „Eisenbahner:innen aller Bahnen, vereinigt Euch!“

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"Keine Zeit für Folklore", UZ vom 17. Februar 2023



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