Das deutsche Kapital blickt positiv in die Zukunft, die Arbeiterklasse nicht

Klassenunterschied

Verhaltener Jubel hier, Resignation dort. Schon im März hatte sich die Laune in den Chefetagen der deutschen Unternehmen spürbar gebessert. Elmar Völker, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sprach angesichts des jüngsten ifo-Geschäftsklimaindex von einem „kleinen Licht am Ende des Tunnels“. Der Index, der auf der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch 9.000 vom Münchner Wirtschaftsinstitut befragte „Führungskräfte“ beruht, stieg von 85,3 auf 86,7 Punkte. Und auch im April setzt sich der Trend fort – trotz der Erwartung, dass die US-Zölle steigen werden. Mit 86,9 Punkten erreichte der ifo-Index den höchsten Stand seit acht Monaten.

„Die deutsche Wirtschaft hofft auf Besserung“, kommentiert ifo-Präsident Clemens Fuest die deutlich verbesserten Geschäftserwartungen. Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist dafür die Hoffnung verantwortlich, dass das von Union und SPD angekündigte Finanzpaket „die Konjunktur anschieben wird“.

Während in den Chefetagen der Konzerne schon wieder der Champagner kaltgestellt ist, herrscht in den Werkhallen mehrheitlich Resignation. Gerade einmal 45 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind laut der jüngsten Gallup-Studie zufrieden und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Die aktuelle politische und konjunkturelle Lage belastet viele Beschäftigte und steigende Lebenshaltungskosten schlagen auf die Stimmung, so die ernüchternde Analyse der Befragung des multinationalen Analyse- und Beratungsunternehmens. Auch der Stresspegel bleibt bei den Lohnabhängigen in Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarn hoch. Etwa vier von zehn Beschäftigten gaben an, sich gestresst zu fühlen. In Dänemark waren es zum gleichen Zeitpunkt nur 21 Prozent.

Befunde, die das aktuelle „Barometer Arbeitswelt“ bestätigt: Laut der Erhebung, bei der im Februar und März dieses Jahres 2.018 Erwerbstätige im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) befragt wurden, nannten 51 Prozent einen höheren Zeitdruck beim Erledigen ihrer Aufgaben. 43 Prozent der Befragten berichteten von einem gereizteren Klima unter den Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt stellten vier von fünf Befragten solche negativen Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag fest. Haupttreiber waren – so die Autoren der Studie – Digitalisierung, Bürokratie, aber vor allem der Mangel an Personal und Fachkräften aufgrund des demografischen Wandels.

Unter diesen Bedingungen ist die emotionale Mitarbeiterbindung gering: Laut Gallup-Studie beträgt diese nur 9 Prozent – gegenüber dem europäischen Durchschnitt von 13 Prozent. Eine hohe Bereitschaft zum Jobwechsel ist die Folge. 39 Prozent der Beschäftigten gaben in einer Forsa-Umfrage an, dass sie sich einen anderen Arbeitsplatz wünschen. Bei jüngeren Arbeiterinnen und Arbeitern (ab Geburtsjahrgang 1997) ist die Wechselbereitschaft besonders groß.. Hier kann sich fast die Hälfte der Befragten vorstellen, im laufenden Jahr den Arbeitgeber zu wechseln.

Jenseits der recht unterschiedlichen Stimmungslagen bei denen, die arbeiten, und denen, die arbeiten lassen, gibt es auch harte ökonomische Fakten. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) letzte Woche seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland nach unten korrigiert und rechnet nun mit einem Nullwachstum. Auch die noch geschäftsführende Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts. Zu Jahresbeginn war man noch von einem Plus von 0,3 Prozent ausgegangen.

Sollten sich diese Prognosen bestätigen, dann wird die deutsche Wirtschaft das dritte Jahr in Folge nicht wachsen. Um die gute Laune in den Vorstandsetagen muss man sich dennoch keine Sorgen machen: Im dritten Quartal des vergangenen Jahres stieg das private Geldvermögen in Deutschland nicht zuletzt infolge von Kursgewinnen bei Aktien und Investmentfonds auf das Rekordniveau von rund 9 Billionen Euro. Die negativen Folgen einer schwächelnden Wirtschaft wie Reallohnrückgang oder Jobverlust bleiben hingegen der arbeitenden Klasse vorbehalten.

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"Klassenunterschied", UZ vom 2. Mai 2025



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