Ein Blick hinter die Kulissen: Aktuelle Geschäftsbilanz der Deutschen Post

Klassischer Krisengewinner

Tim Laumann

Frank Appel, Chef des Konzerns „Deutsche Post DHL Group“ (DPDHL), verkündet in einem intern veröffentlichen „Brief von Frank Appel“ die aktuellen Geschäftszahlen. Bei einem EBIT (Earning before Interests and Taxes, also Einkommen vor Dividende und Steuern) von 8 Milliarden Euro kam demnach ein Reingewinn von 5,1 Milliarden Euro heraus. Insofern gehen 3 Milliarden Euro an die verschiedenen Staaten, in denen die DPDHL aktiv ist – das sind beinahe alle Länder der Welt mit zirka 500.000 Arbeitern – und an die Aktionäre.

Von den 1,24 Milliarden Stückaktien, die von der Deutschen Post im Umlauf sind, gehören zirka 20 Prozent der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der Rest gilt als Streubesitz. Pro Aktie gab es im Jahr 2020 eine Dividende von 1,35 Euro, 2021 waren es 1,80 Euro. Über die KfW-Anteile fließt also Geld an den Staat zurück. Durch die Privatisierung wurde mit der Übernahme der DHL eine Möglichkeit geschaffen, Kapitalexport in die ganze Welt zu betreiben. Die DHL bietet Unternehmen ein Supply-Chain-Management an.

Supply-Chain bedeutet Versorgungslinie und meint, dass Unternehmen im Zuge von „Lean Production“ und „Just-in-Time-Produktion“ Logistik und Lagerei auslagern – die DHL übernimmt diese Aufgaben. „Lean Production“ meint „schmale Produktion“, im Wesentlichen eine stark standardisierte und rationalisierte Produktion, in der „Verschwendung“ minimiert wird und Produktionsarbeiten als Dienstleistungen ausgegliedert werden. „Just in Time“ meint eine Produktion, die direkt „auf Kante genäht“ ist, in der Lagerstätten auf die Straße verlegt werden, indem Logistiker Teile erst exakt in dem Moment anliefern, in dem sie zur Produktion benötigt werden.

Damit werden die „schmalen“ Produzenten für den Logistik-Dienstleister gläsern – mit der Einbindung in die Monopolstruktur nimmt deren Unabhängigkeit rapide ab, vor allem wenn diese eigene Fähigkeiten auslagern beziehungsweise nicht neu ausbilden. Zusätzlich können in Logistik und Lagerei Zusatzleistungen angeboten werden wie die Sortierung, die Etikettierung oder das Labeling. Auch damit fallen Jobs im Einzelhandel weg – der neue Mehrwert wird unter DHL-Logo produziert. Die Post profitiert von den ständigen Angriffen auf die Belegschaften und bei jeder Rationalisierung, von der Umweltverschmutzung durch die außerordentlich starke Zunahme des Straßenverkehrs im Zuge der „Just-in-Time“-Produktion und – ähnlich wie Amazon – von der Zerstörung der Innenstädte durch die Monopolisierung des Einzelhandels.

Einen großen Teil des Kuchens hat das Geschäft mit der Pandemie eingebracht. Im internen Brief erklärt Appel, dass der Bereich des medizinischen Transports viel beigetragen habe. Sicher, in der Zeit der Pandemie mussten schnell – und staatlich finanziert – Masken von ihren Produktionsorten zu den Verbrauchern. Diverse kriminelle Maskendeals unter Beteiligung von Unionspolitikern zeigen, wie sorglos mit diesem Geld umgegangen wurde. Vom schlechten Management der Corona-Pandemie profitiert die Post. Sie ist ein klassischer Krisengewinner.

Die Tageszeitung „junge Welt“ berichtet zudem, Teil der Profitmacherei seien gesunkene Qualität, gestiegene Preise und geringere Belegschaftszahlen inklusive schlechterer Arbeitsbedingungen. Diese Zusammenhänge sind typisch für fast alle privatisierten und ehemals staatlichen Bereiche.

Aktuell macht die sinkende Briefmenge den Kapitalfunktionären Sorgen. Appel freut sich allerdings da­rüber, dass die sinkende Briefmenge durch eine Zunahme von „Dialogmarketing“ aufgefangen werden konnte. Im Klartext: Die einzelnen Zusteller haben nicht weniger Arbeit, sondern mitunter mehr – die „fehlenden Briefe“ werden durch mehr Werbung aufgefangen. Die Steigerung des Profits bezahlen die Zusteller mit ihrer Gesundheit und die Werbeflut geht zudem auf Kosten der Umwelt.

Schwankende Postmengen sind den Kapitalfunktionären ein Dorn im Auge. Intern veröffentlichte man die Orientierung auf „mehr Flexibilität“, das heißt, es soll möglich werden, Zusteller, die man wegen der schwankenden Postmengen nicht braucht, wieder nach Hause zu schicken. Das gewendete Arbeitsrecht hält dafür Folterinstrumente bereit: Werkverträge, Null-Stunden-Verträge, Auslagerungen und ähnliches. Derzeit wird darüber nur laut nachgedacht, Tarifverträge verbieten dies. In Zukunft wird darum gekämpft werden müssen. Wenn es darum geht, Unsicherheit und Prekarisierung bei den Beschäftigten zu schaffen, dann ist die Post durchaus bereit, Geld auszugeben: 2,5 Milliarden Euro werden intern für Rationalisierung, „Lean Production“ und Controlling „investiert“.

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"Klassischer Krisengewinner", UZ vom 18. März 2022



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