Uri Avnery ist im Alter von 94 Jahren gestorben

Lebenslanger Kampf für den Frieden

Von Melina Deymann

In der Geschichte des Staates Israel wird Uri Avnery als ein weitblickender Visionär bezeichnet werden, der auf einen Weg aufmerksam machte, den andere nicht gesehen haben. Es ist das Schicksal und die Zukunft des Staates Israel, mit seinen Nachbarn Frieden zu schließen und sich in die geographische und politische Region, in der er sich befindet, zu integrieren. Avnerys größte Gegner werden letztlich in seine Fußstapfen treten müssen – denn der Staat Israel hat keine andere Wahl.“ Mit diesen Worten gedenkt Gusch Schalom, der israelische Friedensblock, seines Gründers Uri Avnery.

Der Journalist und Publizist hat sein Leben lang für Frieden zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk mit einem unabhängigen Staat gekämpft.

Die Familie des 1923 im westfälischen Beckum als Helmut Ostermann geborenen Uri Avnery floh 1933 nach der Machtübergabe an die Faschisten mit ihm nach Palästina. Dort schloss er sich als 15-Jähriger der zionistischen paramilitärischen Untergrundorganisation Irgun Zwai Leumi (Nationale Militärorganisation) an, um die britische Kolonialmacht zu bekämpfen. 1941 verließ er Irgun aus Protest gegen deren Anti-Arabismus und ihre reaktionäre Haltung in sozialen Fragen. Im Palästinakrieg wurde er als Soldat der israelischen Armee schwer verwundet – und änderte seine Haltung. Er wurde zum Friedenskämpfer für eine Zweistaatenlösung. „Die Grundlage für jeden denkbaren Frieden ist es, das Westjordanland mit Ostjerusalem und dem Gazastreifen in einen palästinensischen Staat umzuwandeln.“

Über 40 Jahre lang war Avnery Chefredakteur des kritischen Wochenmagazins „Haolam Hazeh“ (Diese Welt), das unter dem Slogan „Ohne Angst, ohne Vorurteil“ erschien. Zwischen 1965 und 1981 war er drei Legislaturperioden lang Abgeordneter der Knesset. Er setzte sich für die friedliche Koexistenz Israels mit einem palästinensischen Staat und die Rückkehr der ab 1948 vertriebenen Palästinenser in ihre Heimat ein.

Im Juli 1982 machte er Schlagzeilen, als er mitten im Libanon-Krieg die Grenze übertrat und sich Hochverrat vorwerfen lassen musste, weil er sich in Beirut mit dem Anführer der palästinensischen Freiheitsbewegung, Jassir Arafat, traf. Bereits 1974 hatte er geheime Kontakte zur PLO-Führung aufgenommen. Während der zweiten Intifada 2003 stellte er sich im Präsidentenpalast in Ramallah als menschlichem Schutzschild für Arafat zur Verfügung, um ihn vor den Angriffen der Israelis zu schützen. Auf die Frage, warum er mit Terroristen zusammenarbeite, war seine Antwort: „Es ist nur eine Frage der Perspektive, ob man jemanden als Freiheitskämpfer oder als Terroristen sieht.“

Avnery selbst überlebte mehrere Anschläge auf die Redaktionsräume von „Haolam Haze“ und mindestens ein gezieltes Attentat.

Anfang der 1990er Jahre gründete er mit seiner 2011 verstorbenen Frau Rachel Gusch Schalom mit der Begründnung, der damalige Ministerpräsident Jitzhak Rabin habe zu geringe Anstrengungen für einen Frieden mit den Palästinensern unternommen. 2001 wurden sie dafür mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Die Politik der Regierung Netanjahu, insbesondere das neue „Nationalgesetz“, verurteilte er. Im Juni sagte er im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Wir haben eine ekelhafte Regierung, die gar nicht daran denkt Frieden zu schließen. Ein palästinensischer Staat neben unserem Territorium ist für Benjamin Netanjahu total undenkbar. Frieden ist nicht erwünscht.“

Uri Avnery kollabierte am 4. August in seiner Wohnung, als er sich auf den Weg zu einer Demonstration gegen das „Nationalgesetz“ machen wollte, kurz zuvor hatte er einen Artikel zu dem Gesetz beendet. Er starb in der Nacht zum Montag in einem Krankenhaus in Tel Aviv.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Lebenslanger Kampf für den Frieden", UZ vom 24. August 2018



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