Drei Wochen Griechenland: Ioannina, Thessaloniki, Chalkidiki

Meine progessive Woche

Von Adi Reiher

Ioannina

Die Hauptstadt des Epirus hat etwa 120 000 Einwohner und ist anscheinend touristenfrei, bis wir am Dienstagabend aus Korfu ankommen.

Wir sind zentral untergebracht und erleben am Mittwochmorgen nach „Brüssel“ die Demonstration der streikenden Staatsbediensteten, die die zentrale Averof-Straße hochziehen. Etwa dreihundert KollegInnen nehmen teil, ihnen folgt ein Block von 25 Pame-GewerkschafterInnen und ebensoviele AnarchistInnen (die Universität hat 20 000 Studenten) mit jeweils eigenen Transparenten – vor allem für griechische Verhältnisse ist die Demo ziemlich still.

Abends demonstriert die Pame. Wiederum nehmen etwa 300 Personen teil, wiederum ziemlich still, bis auf den nicht verstummenden Lautsprecherwagen. Für Donnerstagabend hat die Pame zu einer Informationsveranstaltung in ein Bürgerhaus eingeladen; etwa 50 Personen sind erschienen.

In den nicht so heißen Stunden sind die Geldautomaten gut frequentiert. Einige Clevere heben um 5 vor und um 5 nach 12 Uhr nachts ab.

Thessaloniki

Wie Blei liegt die Hitze am Wochenende nach „Brüssel“ über der Stadt und wie Blei lastet anscheinend die Sorge auf den Bewohnern. Das verlangsamte Großstadtleben des Sommers geht indes seinen gewohnten Gang.

Am Freitagabend und am Samstag sind wir in der Innenstadt auf der Suche nach Protesten – nichts, wofür oder wogegen auch immer. Die Bars, Kafenions und Restaurants sind brechend voll. Überall wird – wie in Ioannina – diskutiert. Die Wortfetzen Schäuble und Tsipras sind allgegenwärtig. Seit wir hier sind, haben wir als leicht erkennbare Deutsche – nein, keine weißen Socken zu Sandalen – keinerlei Ressentiments erlebt.

Bedrückend ist es, hier in der großen Stadt die bettelnden Kinder – keine griechischen – zu erleben, die mit Akkordeons von Tisch zu Tisch ziehen. In ihren Augen ist die Trauer um die verlorene Jugend nur allzu deutlich zu lesen.

Chalkidiki

„Was gibt es Neues in Neuss?“ Diesen Kalauer erlaube ich mir gegenüber der Griechin Maria, die in Neuss geboren ist und lebt. In der viermonatigen Saison arbeitet sie im Hotel und Restaurant ihres Vaters, der sein in Deutschland Erspartes hier investiert hat. Die Sorgen sind groß.

Man hat sich auf Deutsche spezialisiert; aber den Hauptteil der Touristen hier am Ende von Sithonia, dem mittleren „Finger“ der Chalkidiki, stellen inzwischen Serben, gefolgt von Slowaken. Maria kümmert sich von Deutschland aus um das Marketing, aber im Restaurant sind immer Plätze frei, wo man bisher meist reservieren musste.

Wahrscheinlich sitzt Marias Vater deswegen jeden Abend an irgendeinem Tisch mit unseren Landsleuten und muss sich dumme Sprüche über den vermeintlichen Erfolg „der Deutschen“ und die vermeintlichen Misserfolge „der Griechen“ anhören: „Es gibt eben Meister und Schüler“. Und das sind Leute, die Griechenland und die Griechen angeblich mögen.

Schnell auf in die Bar zu den Serben und Slowaken. Was die reden, verstehe ich Gott sei Dank nicht.

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"Meine progessive Woche", UZ vom 7. August 2015



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