Von Mett und Romanzen

Muss wohl

Kolumne oder so

Medien I. Die „Bild“ brüllt mich am Kiosk an: „WANN REGNET ES ENDLICH??!!“ und ich frage mich, ob es die gleiche Zeitung ist, die vor wenigen Tagen „KLIMATERRORISTEN!“ gebölkt hat. Die Logik hieße dann, die Klimachaoten kleben sich vor lauter Jux und Dollerei auf den heißen Asphalt, riskieren Haue, Geldstrafen und Knast aus reiner perfider Boshaftigkeitslangeweile. Und der liebe Gott, der ja wohl zuständig ist (Hallo?!), lässt es gleichzeitig – was ein Pech! – nicht regnen. Tja, muss wohl.

Technik. Der Gartenbro macht Gartenbrodinge. Kauft sich ein neues Handy („Das geht ja gar nicht mehr mit dem alten Ding, die Tasten funktionieren nur bei jedem dritten Versuch“) und merkt danach, dass auf dem alten Handy noch eine Panzerfolie klebt. Entfernt sie, alles funktioniert, altes Handy heile, neues Handy geht zurück. Gewusst wie eben.

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Sexismus. Rrrrrrammstein. Die Band, die seit 30 Jahren gefühlt immer das gleiche Stück mit einem anderen „Text“ zum Besten gibt. Die mit dem nationalistischen rollenden „R“ spielen, als wär‘s der beste Witz der Welt. Deren Bühnenshow martialisch und sexistisch ist und deren „Texte“ einfach nur zum Kotzen sind. Jene welche Band steht am Pranger, weibliche Fans angegangen zu sein, sogar systematisch. Ist natürlich überhaupt gar nicht vielleicht zu erwarten, dass das Arschlöcher sind, bei einer Bühnenshow, bei der der Sänger auf einer me­tergroßen Peniskanone sitzt und (Sperma) Schaum in die Menge spritzt. Also: Muss wohl.

Garten. Mein japanischer Ahorn – der gar nicht so heißt, sondern „Hakuro Nishiki“, aber wer soll sich das merken – stirbt. Ein wilder Punkrocker, verknorrt, verrenkt, die Äste in alle Richtungen, im Sommer ein weiß-rosa Träumchen, Mittelpunkt des Gartens. Nun sieht er eher aus wie „Hakuro Nagasaki“, verbrannt und stumm. Mein persönliches Symbol für das Klimasterben. Täglich. Danke.

Medien II. „‚Nicht alle sind Faschisten‘ – Thüringer CDU-Bürgermeister will auch mit AfD reden“ (Tagesspiegel). Nicht alle? Und wenn es nur 1 Prozent wären: Nein. Nein. Nein!

Romanze. Wenn sie ein paar Tage nicht schreibt, nicht anruft, nicht antwortet, bin ich relaxt, absolut. Putze Fenster, räume die Wohnung um und zurück, ertränke Tomaten im Garten, lese in einem Buch 13 Wörter, die ich nicht verstehe, und lese sie noch einmal, kaufe Unsinn, kaue Kronkorken und werfe Gegenstände nach lauten Kindern im Hinterhof. Gegenstände natürlich, die recycelbar sind – bin ja eher so Öko. Ich bin sehr froh, dass ich das so unheimlich selbstbeherrscht hinbekomme. Also: Muss wohl.

Humanismus, keiner. 700 Menschen, sehr arme Menschen, die ertrinken, während sie flüchten. Fünf Menschen, sehr reiche Menschen, die implodieren, während sie einem dusseligen Hobby nachgehen. Zu welchem „Unglück“ schicken die Menschen hunderte Helfer, die Marine, die Küstenwache, die Luftwaffe, Unterwasserroboter und Dutzende Spezialisten aus allen Ländern? Eben.

Stolzmonat. Es gibt tatsächlich Menschen, die so etwas feiern. Nazis zumeist. Und posten Fotos mit einem aus – Achtung! – Mett gelegten „AfD“-Schriftzug. Meine nächste Bolognese mache ich mit Tofu, ganz sicher. Weil, ehrlich? Langsam: Muss wohl.

Pace.
Karl Rehnagel
Für die kleine große Antifaschistin, die schon ihr ganzes Leben lang mutig kämpft.

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"Muss wohl", UZ vom 30. Juni 2023



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