Italien: Neue Linkspartei gegen Renzis Liberalismus

No Happy Day

Von Gerhard Feldbauer

In Rom haben am Wochenende Parlamentarier und Senatoren aus der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), der Sinistra e Ecologia (SEL) und der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) eine Sinistra Italiana (SI, Italienische Linke) aus der Taufe gehoben. Zu der neuen Linken zählen Spitzenpolitiker wie der frühere Chef der Gewerkschaft CGIL, Sergio Cofferati, der SEL-Vorsitzende Nichi Vendola und

Hat nach eigenen Angaben „etwas Konsens eingebüßt“: Matteo Renzi (PD), italienischer Ministerpräsident.

Hat nach eigenen Angaben „etwas Konsens eingebüßt“: Matteo Renzi (PD), italienischer Ministerpräsident.

( Roberto Vicario / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

der ehemalige Vizepremier Renzis und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Stefano Fassina. Entgegen vorherigen Ankündigungen schickte die Rifondazione Comunista (PRC) von Paolo Ferrero keinen Vertreter. Eine Überraschung war, dass der langjährige Vorsitzende der einstigen zur linken Mitte zählenden Republikanischen Partei, Georgio La Malfa, zu der SI-Gründung erschien. Er ist ein Sohn des 1979 verstorbenen Ugo La Malfa, der während der Resistenza zu den Mitbegründern der radikaldemokratischen Aktionspartei gehörte, nach deren Auflösung er 1946 zu den Republikanern stieß und ebenfalls lange Jahre Parteichef war. Die Versammelten konstituierten sich als Parlaments- und Senatsfraktion, die zu den demnächst stattfindenden Kommunalwahlen antreten will. Danach ist die Konstituierung zur Partei vorgesehen. 25 Parlamentarier kommen von der SEL und sechs von der PD, von den Senatoren sieben von der SEL und zwei aus M5 S. Der US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz wird Berater für die Erarbeitung ihres Wirtschaftsprogramms. Da der Tagungsort, das Teatro Quirino in Rom, nur 1 000 der angereisten rund 1 500 Interessenten fasste, versammelten sich 500 parallel im Römischen Theater. Auf den Straßen feierten zahlreiche Sympathisanten begeistert die neue Sinistra Italiana mit dem Gesang des alten Partisanenliedes „Bella Ciao“ und anderer Kampflieder der Arbeiterbewegung. Luigi Bersani, vor Renzi PD-Vorsitzender, hatte vergeblich versucht, mit einem Appell zur Einheit die Neugründung zu verhindern.

Wie „La Repubblica“ am Dienstag berichtete, rechneten die Versammelten scharf mit dem rechten und unternehmerfreundlichen Kurs von PD- und Regierungschef Matteo Renzi ab, dem sie „Verrat an den sozialdemokratischen Traditionen der PD“ vorwarfen. Sie lehnten den für 2016 von der Regierung vorgelegten Haushalt als sozial nicht tragbar ab und forderten, die Beseitigung elementarer Arbeiterrechte, wie den Kündigungsschutz, zurückzunehmen. Fassina verurteilte in seiner Eröffnungsrede Renzis Regierungskurs als „Liberalismus der Happy days“, mit dem der PD-Chef die Maßnahmen verwirkliche, die durchzusetzen Berlusconi nicht imstande war. Die Sinistra Italiana werde dem eine ihrem Namen entsprechende Regierungsalternative entgegenstellen. Er wies den Spaltungsvorwurf Bersanis zurück und betonte, es werde im Gegenteil „ein Signal zur Einheit der Linken“ gegeben. Der Abgeordnete Alfredo D‘Attorre, Ex-PD, führte aus, dass anstelle der von Renzi verfolgten Umwandlung der PD in eine liberalistische „Partei der Nation“ Ziel sei, „eine breite, patriotische Volkskraft“ zu formieren. Vendola, der wegen Krankheit nicht teilnehmen konnte, betonte in einer Botschaft, mit der SI werde verhindert, „dass die Linke Selbstmord begeht“. Die linke Zeitung „Manifesto“ wertete die SI-Formierung als einen „wichtigen Schritt für ein neues politisches Projekt“, das „eine offene und radikale Alternative zum Renzianismus“ darstelle. Obwohl Fassina grundsätzlich Allianzen ablehnte, schloss er nicht aus, zu den Bürgermeisterwahlen in Rom bei einer Stichwahl M5S zu unterstützen. Während „La Repubblica“ warnte, die „Krise der Linken Mitte“ nicht zu unterschätzen, wies Renzi gegenüber der Zeitung des Fiat-Konzerns „La Stampa“ die Kritik an seiner Politik grundsätzlich zurück und nannte die SI-Bildung das „traumatische Delirium eines linken Idealismus“, der den Rechten zum Sieg verhelfen könnte. Er räumte immerhin ein, dass er „etwas Konsens eingebüßt“ habe.

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"No Happy Day", UZ vom 13. November 2015



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