Gut besuchte China-Konferenz diskutierte kontrovers über „Chinas Weg zum Sozialismus“

Noch keine Einigkeit

Am 26. November fand in Frankfurt am Main die auf dem Parteitag beschlossenen Konferenz für Mitglieder von DKP und SDAJ zu China statt. Unter dem Titel „China auf dem Weg zum Sozialismus“ diskutierten über 120 Anwesende anhand von zwei Referaten und in drei Arbeitsgruppen.

Den Auftakt zur Konferenz machte Conny Renkl mit seinem Referat „Chinas Weg zum Sozialismus“, in dem er wesentliche Entwicklungsstationen der Volksrepublik China nachzeichnete. In der daran anschließenden Debatte wurde deutlich, dass einige Genossinnen und Genossen eine andere Sicht auf China, seine Rolle und Entwicklung haben.

Festgemacht wurden sie – wie schon beim Parteitag der DKP – unter anderem an den im Programm der DKP beschriebenen Sozialismusvorstellungen, mit denen die Entwicklung in der Volksrepublik China nicht übereinstimme, an einer fehlenden Beschäftigung mit der Kommunistischen Partei Chinas oder einer fehlenden Reallohnentwicklung in China zwischen 1993 und 2004. Es gab jedoch auch zustimmende Beiträge zum Referat von Renkl, auch ein Hinweis auf die trickreiche Rolle der Dialektik in der Analyse eines Landes wie China und des dort herrschenden Systems fehlte nicht.
Danach teilte sich die Konferenz in drei Arbeitsgruppen auf, in denen jeweils zwei Referenten für die „Pro- und Kontraseite“ zur VR China vertreten waren.i

In der Arbeitsgruppe 1 sollten Wolfram Elsner und Lucas Zeise mit den Teilnehmern über den „Einfluss der Partei und des Staates auf die Ökonomie“ diskutieren, wandten sich jedoch nach dem Einleitungsstatement von Zeise der Frage des Immobilienmarktes in China zu. In der Arbeitsgruppe 2 trafen mit Beat Schneider und Olaf Matthes, die über „Partei und Gewerkschaft und die Ausübung der politischen Macht der Arbeiterklasse“ diskutierten, ein Verfechter des chinesischen Sozialismus und ein Referent, der Chinas Aufstieg rein auf den eines Landes innerhalb des kapitalistischen Weltsystem betrachtet, aufeinander. In Arbeitsgruppe 3 debattierten Uwe Behrens und Jan Meier mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die „Belt and Road Initiative als Form friedlicher Koexistenz“.

Nach den Arbeitsgruppen wurde die Konferenz im Plenum fortgesetzt. Dort hielt Jörg Kronauer ein Referat über „Chancen und Gefahren der multipolaren Weltordnung“. Er stellte fest, dass der Abstieg des Westens relativ sei: Andere Nationen entwickelten sich schneller und stärker als der Westen es könne.

Für die aufsteigenden Mächte gehe es darum, die Fesseln westlicher Macht zu brechen. Dazu dienen laut Kronauer Zusammenschlüsse wie BRICS, die Gründung der Asiatischen Entwicklungsbank oder der New Development Bank.

Die Chancen der multipolaren Weltordnung liegen für Kronauer in den antikolonialen Entwicklungen. In Afrika gehe zum Beispiel der Einfluss der Kolonialmächte verloren. Früher gingen 60 Prozent der Rohstoffexporte nach Europa, heute ist es nur noch ein Drittel. Die kolonialen Verhältnisse seien noch nicht vollständig aufgebrochen, doch die Wahloptionen für die afrikanischen Länder sind größer geworden. Sie seien nicht mehr gezwungen, mit den ehemaligen Kolonialmächten zusammenzuarbeiten. Besonders deutlich zeige sich das momentan in Mali, Burkina Faso und Niger.

Ähnliches gelte, so Kronauer, für Lateinamerika. Da sie Wahloptionen haben, können es sich die Staaten leisten, sich den Sanktionen und Waffenlieferungen gegen Russland nicht anzuschließen.

Für den Nahen Osten betonte Kronauer vor allem die Bedeutung der chinesischen diplomatischen Bemühungen. Durch die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, deren Feindschaft durch die USA immer gefördert wurde, hat die Region – auch in einer Reaktion auf das Ende des Erdöls in 30 Jahren – eine Chance auf eine gedämpfte Kriegsgefahr und ökonomische Entwicklung.

Entscheidend sei jedoch die qualitative Entwicklung: Schafft es Afrika, die neokoloniale Unterdrückung abzuschütteln? Es werde sich zeigen, ob eine Entwicklung nach dem Modell der chinesischen Sonderwirtschaftszonen, die die Volksrepublik in Afrika fördert, auch auf diesem Kontinent zum Erfolg führen.

Kritischer betrachtet Kronauer schon jetzt das Handeln von Russland und der Türkei in Syrien und in Libyen. Gerade das Verhalten der Türkei habe dort, genauso wie im Kaukasus, nichts Fortschrittliches in unserem Sinne.

Die Risiken einer multipolaren Weltordnung, schnell benannt: Noch halten die aufstrebenden Staaten zusammen, um die westliche Macht zu brechen. Was dann geschieht, sei eine offene Frage. Da ist zum einen die Türkei mit ihrer aggressiven Außenpolitik, aber zum Beispiel auch die Feindschaft zwischen den Mächten Indien und China. China ist in dieser Frage entspannt, Indien nicht. Das könnte nach dem Ende der westlichen Macht zu einem Problem werden.

Für uns, so schloss Kronauer, werde die Situation nicht einfacher mit einer multipolaren Weltordnung. Sie schaffe aber Chancen für den Globalen Süden. Und es sei gut, dafür Sympathien zu haben – ohne die Risiken zu unterschätzen.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Noch keine Einigkeit", UZ vom 8. Dezember 2023



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