SPD, Grüne und FDP dienen dem Kapital – auf Kosten der Menschen in diesem Land

Null Toleranz für die Ampel

Es wird kalt in Deutschland. Angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise müssen sich viele Menschen im Winter fragen, ob sie lieber frieren oder hungern „wollen“. Am Montag forderte der Sozialverband Deutschland (VDK) sofortiges Handeln, darunter die unbürokratische Auszahlung eines Energiekostenzuschlags für Arme, die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf frische Lebensmittel und die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um 100 Euro.

Von solchen Problemen sind die künftigen Koalitionäre Lichtjahre entfernt. Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) feierten sich am Sonntag bei Anne Will für ihre Verhandlungserfolge. Dabei haben sie ihre Wahlversprechen schon in der Sondierung mit der FDP gebrochen. Reichen- und Vermögensteuer, Entlastung für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen, Mietendeckel, Respekt? War da was?

Scholz hat die Aufgabe der neuen Bundesregierung klar umrissen: Es geht um den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Stellung auf dem Weltmarkt. Dafür sollen nicht nur Kriege geführt werden, sondern Milliarden in die Konzerne fließen. Kaschiert wird die Umverteilung von unten nach oben mit den Worten Klimaschutz und Digitalisierung. Die deutschen Konzerne sollen gestärkt aus der Krise hervorgehen – hochmodern und grün getüncht. Zahlen müssen den Umbau die Beschäftigten, denn die Schuldenbremse ist ebenso tabu wie die steigenden Kriegs- und Rüstungsausgaben.

Die angekündigte Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist bis zu ihrer Einführung längst von der Inflation aufgefressen. Die sogenannte Transformation wird hunderttausende Arbeitsplätze kosten, allein in der Automobilindustrie sollen es bis 2025 rund 178.000 sein. Statt einer notwendigen Arbeitszeitverkürzung sollen die Arbeitszeiten länger werden. „Hartz IV“ wird nicht erhöht – es gab ja gerade 3 Euro –, sondern umbenannt in „Bürgergeld“. Der Zwang, miese Jobs anzunehmen, und das disziplinierende Sanktionssystem bleiben.

Die Ampel steht auf Angriff gegen Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner, Mieterinnen und Mieter, gegen die Jugend. Die Ampel braucht Kontra – sie kriegt Kontra. In der vergangenen Woche demonstrierten zehntausende Aktivisten von Umwelt-, Sozialverbänden und Mieterorganisationen in Berlin. Aktionen des zivilen Ungehorsams wurden mit Knüppel und Pfefferspray beantwortet. Eine bundesweite Kampagne forderte vor dem Reichstag die Aufnahme eines Mietenstopps in den Koalitionsvertrag. Die Beschäftigten der Länder bereiten sich auf einen Arbeitskampf für 5 Prozent mehr Lohn vor. Nach den erfolgreichen Streiks bei Charité und Vivantes in Berlin geht es darum, bundesweit Entlastungstarifverträge im Gesundheitswesen zu erkämpfen. Die Kolleginnen und Kollegen bei ­Asklepios in Brandenburg streiken für den Ost-West-Angleich.

Für diesen Freitag ruft die IG Metall im ganzen Land zu Protesten auf. Die Gewerkschaft fordert einen „Fair-Wandel“ und sozialen Fortschritt für alle. Die deutsche Industrie stehe vor entscheidenden Jahren: „Schaffen wir die digitale und ökologische Wende oder fahren wir vor die Wand? Bauen wir die Produkte der Zukunft oder bauen wir Arbeitsplätze ab?“

Der Protest gegen massenhaften Stellenabbau ist notwendig und die Kommunistinnen und Kommunisten sind dabei. Doch ohne den Gegner zu erkennen und zu benennen, kann er nicht erfolgreich sein. Nicht „wir“ bauen Arbeitsplätze ab und fahren den Laden vor die Wand. Die Konzerne vernichten Jobs und streichen zur Belohnung Milliarden an Subventionen ein. Die zahlen wir. Der Kampf um Arbeitsplätze und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen bedeutet Widerstand gegen das Kapital und seine Ampel – branchenübergreifend und gemeinsam mit Sozialverbänden, Umweltorganisationen und Mieterinitiativen für die Umverteilung von oben nach unten.

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Null Toleranz für die Ampel", UZ vom 29. Oktober 2021



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