Die WerteUnion sorgt in der CDU für Ärger

Nur ein „Spaltpilz“?

Von Nina Hager

Klein ist die Truppe. Manche nennen sie – angesichts von über 400000 CDU- und 170000 CSU-Mitgliedern – mit ihren gegenwärtig rund 2 000 Mitgliedern politisch unbedeutend. Trotzdem schafft es der „Freiheitlich-konservative Aufbruch – die WerteUnion“, der im März 2017 von unzufriedenen Mitgliedern der CDU und CSU in Schwetzingen gegründet wurde, immer wieder in die Schlagzeilen. 2018 forderte man Angela Merkel auf, den CDU-Vorsitz abzugeben und unterstützte Friedrich Merz. In der vorigen Woche war der Vorsitzende der „WerteUnion“, Alexander Mitsch, vorgeprescht und hatte Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert, ihr Amt bald an Kramp-Karrenbauer abzutreten. Am Wochenende erklärte der „Arbeitnehmerflügel“ (CDA) in der CDU, die Gruppierung sei ein „Spaltpilz“ und „Etikettenschwindel“, sie handle nicht bürgerlich und konservativ und stehe somit nicht für die Werte der CDU. „Sie verwischt die klare Abgrenzung zur AfD.“

Prominente Unterstützer hatte die WerteUnion bislang kaum. Auch ist sie in der CDU nicht anerkannt. Bekanntestes Mitglied der WerteUnion war lange der frühere hessische Kultus- und Justizminister Christian Wagner. Wagner hatte als Justizminister elektronische Fußfesseln für kriminelle Langzeitsarbeitslose gefordert, und erklärt, den „härtesten Strafvollzug Deutschlands“ durchsetzen zu wollen. Er unterstützte 2007 – gemeinsam mit Roland Koch, damals Ministerpräsident in Hessen – zudem die damalige hessische Kultusministerin Karin Wolff, die den biblischen Schöpfungsmythos künftig im Biologieunterricht behandeln lassen wollte. Schon damals forderte Wagner eine rigorosere Abschiebepraxis. Im Februar dieses Jahres schlossen sich der frühere Verfassungschef Maaßen und der Politikwissenschaftler Werner Patzelt der „WerteUnion“ an. Patzelt galt den bürgerlichen Medien lange als „Experte“ für AfD, Pegida und Co. Nach den rechten und faschistischen Demonstrationen in Chemnitz geriet er aber in die Kritik, als auch er – wie Maaßen – keine Hetzjagden gesehen haben wollte und eine entsprechende Petition mit veröffentlicht hatte. Dass sich andere Prominente jetzt der „WerteUnion“ anschließen werden, ist eher unwahrscheinlich. Selbst Friedrich Merz oder der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch halten Abstand. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich der konservative Flügel der CDU eigentlich bereits durchgesetzt.

Auf ihrer Webseite wirbt die „WerteUnion“ jedoch immer noch damit, konservativer Flügel der CDU/CSU zu sein. Man sei „unter dem Eindruck der ‚Großen Koalition’ und dem einhergehenden Linkstrend entstanden“. Man will in die Vor-Merkel-Ära und offensichtlich noch weiter zurück. Im „Manifest“ von 2018 wird hervorgehoben: „Unsere Leitbilder sind die Grundsatzpositionen der CDU/CSU und das christliche Menschenbild. Wir wollen, dass sich die Union wieder auf ihre Grundwerte besinnt und unsere auf dem Christentum fußenden Überzeugungen im politischen Alltag umsetzt. Hierzu zählen vor allem Fragen des Lebensrechts, der Familie und der Würde des Menschen. Unser Bestreben gilt dabei auch der Bewahrung von Gottes Schöpfung.“ Im „Konservativen Manifest“ vom April 2018 werden Forderungen für eine „CDU pur“ betont. Die „WerteUnion“ wendet sich gegen „ungesteuerte Zuwanderung“, ist für die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und für eine Rückkehr zum „klassischen Familienbild“ aus „Mann, Frau, Kindern“.

Das ist aber nicht genug. Detailliertere Forderungskataloge verraten, wes Geistes Kind die Herrschaften sind. Es dürfte in der CDU und in der CSU nicht wenige geben, die gleichen Sinnes sind. Einige Forderungen lesen sich wie die der AfD, von der sich die „WerteUnion“ eigentlich abgrenzen will. Nicht nur im Positionspapier zum Themenfeld „Zuwanderung – Migrations-, Flüchtlings- und Ausländerpolitik“ vom Juli 2017. Im vorigen Jahr lehnte die „WerteUnion“ – wie auch die AfD – den UN-Migrationspakt ab. In ihrem Positionspapier zur Sicherheitspolitik „Es gibt ein Recht auf Sicherheit“ findet sich neben Forderungen nach Ausweitung der Befugnisse der Polizei und anderer Einsatzkräfte auch die nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur „Durchsetzung von Recht und Ordnung und Unterstützung der Polizei“. Es wird zudem so getan, als ob ausländische Straftäter das große Problem wären. Zu deren Bekämpfung will man mehr Grenzkontrollen, einen härteren Strafvollzug, schnellere Abschiebungen usw. Verlangt wird natürlich auch, mehr gegen „Linksextremismus“ zu tun. In den Unionsparteien dürfte es hier nur wenig oder keinen Widerspruch geben.

Übrigens: Die „WerteUnion“ ist mit ihrer Forderung nach einem Wechsel im Kanzleramt nicht alleine. Doch das wird gewiss auf ganz anderer Ebene entschieden. Noch erklärte „AKK“, die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD seien sich einig, dass Merkel die Große Koalition bis 2021 führen solle, und nannte Rücktrittsforderungen „absurd“.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Nur ein „Spaltpilz“?", UZ vom 22. März 2019



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