Pazifische Verlockungen

Christoph Hentschel zu Trumps Afghanistan-Strategie

Donald Trump, der im Wahlkampf noch polterte, dass er aus Afghanistan raus wolle, hat seine neue Strategie für Afghanistan vorgestellt. Das ist interessant und langweilig zugleich.

Interessant, weil es einen Vorgeschmack gibt, was ungefähr in den nächsten Monaten und Jahren kommen wird. Nur ungefähr, weil Strategien keine konkrete Roadmap sind, sondern langfristige Planungen, die verwirklicht werden oder auch nicht. Die konkrete Situation, das Zusammenspiel verschiedenster, sich widersprechender, sich ergänzender und sich ausschließender Faktoren entscheidet, als wie erfolgreich und wie realistisch sich die Strategie erweist.

Langweilig, weil es auch bei dieser Strategie keinen generellen Kurswechsel, kein Abkehr von der imperialistischen Politik der USA gibt. Die Mittel, um die Interessen der USA durchzusetzen, bleiben die gleichen. Wirtschaftlicher Druck durch Sanktionen und Wirtschaftskriege, Desinformation und militärische Konflikte bleiben die gewählten Waffen im Kampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und Einfluss – Leid, Not und Krieg für den saftigen Extraprofit.

Trumps Strategie, um das seit Jahrzehnten gebeutelte Afghanistan weiter zu beuteln, reiht sich in die generelle strategische Orientierung der USA ein. Die Volksrepublik China muss als größter wirtschaftlicher Konkurrent niedergehalten werden. Seit George W. Bush am Anfang des Jahrtausends von einem „pazifischen Jahrhundert“ der USA sprach, ist die Stoßrichtung klar. Jedoch blieb Bush bei der dafür notwendigen Neuordnung des Nahen Ostens stecken. Nach ihm versuchte Barack Obama, den Schwerpunkt der US-amerikanischen Außenpolitik vom Nahen Osten ins fernere Asien zu verlagern. Die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton zeichnete die dahinter liegende Strategie im renommierten Blatt für Außenpolitik, „Foreign Policy“, unter dem vielsagenden Titel „America‘s Pacific Century“ nach. Die „Befriedung“ der Region, d. h. der Versuch, für US-Interessen taugliche Verhältnisse zu schaffen, klappte nur bedingt. Der Iran konnte nicht als Regionalmacht ausgeschaltet werden. Das despotische Königreich Saudi-Arabien spielt seine Rolle weitgehend zufriedenstellend. Die Kriegsschauplätze Syrien, Irak und Afghanistan konnten nicht aus der unmittelbaren Militärhoheit der USA gebracht werden. Der eine oder andere Pentagon-Stratege dachte schon mal darüber nach, ob der Nahe Osten nicht ein Job für Deutschland und die EU sein könnte. Doch weder mehr Truppen und Material noch Geheimoperationen und das gezielte Töten von wichtigen Einzelpersonen brachten den gewünschten Erfolg.

So sind Trumps Probleme die alten. Mehr Öl aus dem Golf fließt heute schon nach Osten statt nach Westen. Je nach der Statistik, die man zu Rate zieht, hat die VR China Japan als größtes Importland überholt oder ist gerade dabei, es zu tun. In jedem Fall müssen die USA die Kontrolle über den Nahen Osten behalten bzw. (wieder-)erlangen und sich gleichzeitig auf den Pazifik, soll heißen die VR China, konzentrieren. Ob Trump gelingen wird, was seinen Vorgängern nicht vergönnt war, steht in den Sternen. Klar ist aber, welche Mittel angewendet werden und wer die Opfer dieses Vorhabens seien werden. Bestehende Konflikte, wie in Afghanistan werden weiter eskalieren. Neue Stellvertreterkriege werden entfacht werden – auch in Ländern, die bisher im Windschatten der Weltpolitik standen. Opfer werden die einfachen Menschen sein. Die einen werden ihr Schicksal erleiden, andere werden sich angesichts einer auf sie gerichteten hochtechnologisierten Militärmaschine in die Luft sprengen und dabei nicht die Verantwortlichen treffen, sondern die, die auch ihre Nachbarn sein könnten.

Das bedeutet nicht, dass die USA ihre Interessen in Europa vergessen und die aggressive Haltung gegen Russland aufgeben werden. Die USA versuchen die EU gegen Russland in Stellung zu bringen. Afghanistan ist hierfür das Paradebeispiel.

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"Pazifische Verlockungen", UZ vom 25. August 2017



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