Bundestagsparteien sucht neue Koalitionspartner

Politische Flirts

Von Nina Hager

Noch ist völlig unklar, ob die Große Koaliation die nächsten Monate übersteht. Angesichts der anstehenden Landtagswahlen lassen die Umfragewerte für die Unionsparteien, SPD und für die Grünen, die mittlerweile bei Umfragen zweitstärkste Kraft im Lande sind, viel Spielraum offen.

Deshalb trifft man sich wieder häufiger: CDU und Grüne, CDU und SPD, FDP und SPD. Nur mit der AfD will keiner. Zwei jüngere Politiker von Grünen und FDP, Danyal Bayaz und Lukas Köhler, haben einen Gesprächskreis gegründet, der sich künftig regelmäßig in Berlin treffen soll. Die Fraktionsvize Stephan Thomae (FDP) und Konstantin von Notz (Grüne) hatten bereits im vergangenen Jahr einen Gesprächszirkel gegründet, der seitdem immer wieder zusammenkommt. Selbst über Rot-Rot-Grün wurde wieder gesprochen, wenn auch nur unter den Fraktionsvizes von SPD, Linkspartei und Grünen. „Focus-Online“ orakelte am 1. April: „Licht, Frühlingsgefühle – da entwickeln manche offenkundig verstärkt den Drang zum politischen Flirt auf offener Bühne.“ Doch der wird nach wie vor begleitet von teils heftigen Abgrenzungsritualen.

Annegret Kramp-Karrenbauer sprach jüngst mit Katrin Göring-Eckardt, der Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, aber auch mit Andrea Nahles (SPD). Die wiederum traf sich mit Christian Lindner, dem FDP-Vorsitzenden, und beide erinnerten auf einer gemeinsamen Veranstaltung von Naumann- und Ebert-Stiftung „Blick zurück nach vorn – sozial-liberale Politik gestern und heute“ im Berliner Allianz-Forum an längst vergangene „schöne Jahre“, nämlich an die erste Regierung aus SPD und FDP, die im Oktober 1969 gebildet wurde.

Eine Neuauflage einer Regierung aus SPD und FDP schließen die Umfragewerte derzeit aus, deshalb bräuchte es mindestens einen weiteren Partner. In vielen Fragen ist man sich uneinig. Trotzdem versuchten beide Gemeinsamkeiten auszuloten. Lindner nannte die Migrationspolitik: „Wir sind beide weltoffener und toleranter als CDU/CSU, aber weniger naiv als Grüne und andere.“ Auch habe die sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz 1997 bereits einen konkreten Entwurf für ein Einwanderungsgesetz eingebracht. Andrea Nahles stimmte ihrem Kollegen zu, allerdings gebe es schwierigere Fragen wie die Rentenpolitik, bei denen es weniger Gemeinsamkeiten zwischen SPD und FDP gebe. Auch die europapolitischen Vorstellungen der beiden Parteien unterscheiden sich deutlich. Andrea Nahles ärgert sich, „wenn Herr Lindner im Bundestag mal wieder das BDI-Programm vorträgt“.

Die Grünen nennen sich neuerdings „Bündnispartei“ und geben sich offen für Gespräche. Offen ist auch, ob sie für eine erneute Beteiligung an der Macht bereit sind, Grundpositionen aufzugeben und mit Auto- und Energiekonzernen zu verhandeln. Noch wirft ihnen der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion und FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer eine „rückwärtsgewandte Verbots-, Bevormundungs-, Steuererhöhungs- und Enteignungspolitik“ vor. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer nennt die Klimapläne der Grünen ein „Konzept für Reiche“. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schloss angesichts der Debatte um die Enteignung von Wohneigentum eine Koalition zwischen CDU und Grünen aus. „Es kommt für uns nicht infrage, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der mit Enteignungen Politik macht“, so Ziemiak. Doch die Grünen könnten zu den Gewinnern der im September beziehungsweise Oktober anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden. Im Osten kommen sie inzwischen auf 16 Prozent.

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"Politische Flirts", UZ vom 12. April 2019



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